4. Februar 2021
Verbundarbeit, Vermittlungskonzepte, Wissenstransfer

Der Nachlese zweiter Teil: Die Fishbowl-Diskussionen in „Digitale Partizipation! Aber wie?“

Wie können möglichst viele TeilnehmerInnen mitdiskutieren und was haben sie zur digitalen Partizipation zu fragen und zu sagen? Wir wagten uns an die digitale Fishbowl!

Abtauchen ins Goldfischglas
Abtauchen ins Goldfischglas: museum4punkt0 setzt Impulse, Grafik: Stiftung Preußischer Kulturbesitz / museum4punkt0 / Julia Rhein, CC BY 4.0

Was braucht es, um Partizipationsangebote in der Praxis umzusetzen? Wo liegen ganz akut die Bedarfe? Welche Themen drängen und welche Veranstaltungsformate am besten geeignet sind, wollten wir in unserer Auftaktveranstaltung „Digitale Partizipation! Aber wie?“ der Reihe museum4punkt0|impulse erfahren. Dazu sollte möglichst vielen die aktive Teilnahme an den Diskussionsrunden möglich sein. Wir haben uns daher für das Diskussionsformat der Fishbowl entschieden. Denn Ziel der Veranstaltung war, anhand von Beispielen aus der Praxis gemeinsam mit einem möglichst breit aufgestellten Publikum zu diskutieren.

Beim Fishbowl im analogen Raum sitzen die TeilnehmerInnen im Kreis, in dessen Inneren diskutiert wird. Von dieser Anordnung leitet sich der Name der Methode ab: Sie ähnelt einem Goldfischglas, um das die TeilnehmerInnen im Kreis herumsitzen. Ein Stuhl der Diskussionsrunde wird in schnellen Wechseln immer wieder neu aus dem Plenum besetzt.

Dieses Prinzip übertrugen wir in den digitalen Raum unserer Online-Veranstaltung: Jeweils zu den beiden Projektvorstellungen und zum Abschluss gab es 20-minütige Fishbowls, in denen lebhaft diskutiert wurde. Hier konnten sich Teilnehmende durch das Einschalten ihrer Kamera direkt in die moderierte Runde mit den Expertinnen einbringen. Viele TeilnehmerInnen nutzen vor allem den Chat. Ihre Beiträge wurden über die Moderation in die Runde weitergegeben.

Vorweg: Die Beiträge reichten von ganz konkreten Nachfragen zu den Praxisbeispielen bis zu weitgehenden gesellschaftlichen Überlegungen und Forderungen genereller struktureller Veränderungen. Bereichernd war insbesondere die Diversität der Ansatzpunkte, aus denen sich immer wieder erhellende Schnittmengen ergaben: Für Teilnehmende aus kleinen regionalen Häusern ist die Voraussetzung für ein digitales Partizipationsangebot, den Mangel an personellen und finanziellen Ressourcen aufzufangen. Lösungsansätze können hier nachnutzbare Anwendungen und Open Source-Tools sein. Um das Teilen von Wissen und Content ging es aber ebenso VertreterInnen von Wikimedia Deutschland und größeren Kulturinstitutionen, die längst umfangreiche Digitalstrategien umsetzen. Daneben bot der Chat auch Gelegenheit für Fachgespräche und den im Digitalen so fehlenden „Kaffeepausen-Austausch“ über Erfahrungswerte sowie ergänzende Informationen.

Nun ein genauer Blick in die drei Fishbowl-Diskussionen. Kristin Baber, vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz, die die Anwendung „Bodentier hoch 4“ vorstellte, diskutierte in der ersten Fishbowl-Diskussion, welche Möglichkeiten Citizen Science bieten und inwiefern diese auch auf andere Museumsgattungen übertragbar sind. Dabei ging es auch viel darum, wie zur Partizipation angesprochen wird. Wie können Zielgruppen erreicht und neue hinzugewonnen werden? Gerade in der Biologie ist die Gruppe der BürgerwissenschaftlerInnen oft sehr homogen, sodass doch eher von Bürgerwissenschaftlern gesprochen werden kann, diese zählen dann meisten zu den Best-Agern. Digitale Tools können die Chance bieten, auch jüngere Zielgruppen anzusprechen. Auch die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz können dazu beitragen, das Interesse für bürgerwissenschaftliche Beteiligung zu wecken.

Die Diskussion nach dem Beitrag von Christiane Lindner vom Badischen Landesmuseum, die das Projekt museum x.o vorstellt, eine digitale partizipative Plattform, beginnt mit der Frage: Was sagen die KollegInnen im Museum zu einem solchen innovativen Projekt? Und wie lässt sich der personelle Betreuungsaufwand stemmen? Christiane Lindner beschreibt einen Weg der Partizipation, auf dem sich die Museen gelassen zurückziehen und akzeptieren, dass die NutzerInnen sie nicht brauchen, um Content zu generieren. Entsprechend geeignete Frame Works zu entwickeln, hat auch den Vorteil, dass diese sich quasi selbst pflegen. Auch wenn die Monitoring-Verantwortung hinsichtlich kritischer Inhalte bei den Museen bleibt. 

Mit Blick auf die Erreichbarkeit digitaler Partizipationsangebote sind der Ausbau digitaler Kompetenzen und der Förderung digitaler Solidarität weitere zentrale Aspekte, die von Teilnehmenden in die Diskussion eingebracht wurden. Im Aufbau von Digitalkompetenz sieht Christiane Lindern auch eine Verantwortung der Museen. Die nutzerInnenzentrierte Entwicklung kann helfen, früh Bedarfslagen zu erkennen. 

Großes Interesse gilt dem BügerInnenbeirat, den das Team des Badischen Landesmuseum etablierte. Der Beirat wurde nach einem Auswahlverfahren mit einer offenen Ausschreibung zusammengesetzt. Ziel war größtmögliche Diversität in Alter, Hintergrund und Bildungsgrad. Die BürgerInnen wurden hier selbst zu Design Thinkern gemacht: Sie selbst haben Gedanken zum Museum der Zukunft entwickelt – von denen das Museum immens profitiert hat. Ein solcher BürgerInnenbeirat ist sensibel in der Pflege und von großem Wert. Den Teilnehmenden wird mit großem Respekt begegnet, da es sie oft viel investieren. Das zeigt aber auch: Es gibt Interesse an den Museen und daran, diese mitzugestalten.

Im Kulturbereich beraten immer mehr Beiräte, die sich aus Partizipationsangeboten heraus entwickelt haben und selbstorganisiert langfristig Institutionen begleiten.

Wenn partizipative Projekte gelingen, entsteht oftmals eine dauerhafte Bindung der Beteiligten. Darüber hinaus und bringen sie Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld mit ins Museum: Familie, Freunde, Nachbarschaft. Partizipation kann hier eine ganz andere Wirkung entfalten als andere Vermittlungsangebote.

In einer letzten Runde erörterten die Moderation Dr. Silke Krohn mit den drei Referentinnen und dem Publikum, welche Themen zu Partizipation noch genauer betrachtet werden sollten. Was brauchen Museen? Welche Skills, welche Tools? Aber auch: Wie können Partizipationsangebote in den Institutionen etabliert werden? Welche Ressourcen braucht es? Welche Wege der praktischen Umsetzung sind denkbar?

Dr. Silke Feldhoff hat schon viele Partizipationsprojekte sowohl analoger wie digitaler Art in Museen angestoßen und geleitet. Sie kennt die Herausforderung, das Museumspersonal in Partizipationsprozesse einzubinden, sehr gut. In der abschließenden Fishbowl-Runde teilt sie ihre Einschätzung mit: „Das überzeugendste Argument ist eine gelungene Praxis in einem wirklich offenen partizipativen Prozess.“ Dazu lassen sich Leute einladen, mit denen man arbeiten möchte, um gemeinsam herauszufinden, was sie sich unter dem idealen Museum vorstellen. Sie rät, sich gar nicht solange mit der Theorie aufzuhalten, sondern „einfach zu machen“. Also direkt in der Praxis zunächst kleine Projekte anzustoßen, die als Experiment gelabelt sind. Gelingen diese, können die Projekte in einem zweiten Schritt auch größer aufgezogen werden.  Ihre Erfahrung: Oft waren es die zunächst skeptischen MitarbeiterInnen selbst, die dann um eine Vergrößerung der partizipativen Projekte baten. So sind nicht nur Dr. Silke Feldhoff, sondern auch vielen anderen TeilnehmerInnen der Diskussion Aussagen von KuratorInnen vertraut, die nach entsprechenden Workshops kommentieren: „Jetzt verstehe ich erst, was die BesucherInnen interessiert und was sie beitragen können.“ Dennoch, das verdeutlichen Positionen aus dem Publikum, gilt es immer wieder die Perspektive zu wechseln: Als diejenigen, die partizipative Formate und digitale Möglichkeiten gewohnt sind, müssen wir auch Sorgen derjenigen mitdenken, die fürchten, das von digitalen Angeboten ersetzt zu werden oder den Anschluss zu verlieren.  Denn Partizipation bedeutet, alle teilhaben zu lassen und auch alle Meinungen und Empfindungen zuzulassen.

Aus den Diskussionen, die von den ReferentInnen und Teilnehmenden als überaus bereichernd empfunden wurden, haben sich grob drei Bereiche im Themenfeld Digitale Partizipation herauskristallisiert. Diese überschneiden sich und münden in die Frage nach der Relevanz der Museen: Partizipation im Sinne einer ernstgemeinten Teilhabe und Mitgestaltung entscheidet letztlich darüber, wie relevant Museen heute sind. Praxisbeispiele und das große spartenübergreifende Interesse an dem Thema und daran, gemeinsam diesen Weg weiterzugehen, zeigen, wie ernst Kulturinstitutionen ihre Verantwortung nehmen. Ihre Relevanz ist auch das beste Argument für politische Sichtbarkeit, die wiederum Fragen der Ressourcenknappheit und gezielter Förderung beeinflusst. 

Insgesamt hatten wir, die OrganisatorInnen, und auch die Referentinnen schon während der Veranstaltung, das Gefühl, das richtige Format für unseren Zweck gefunden zu haben. Und auch von vielen der TeilnehmerInnen bekamen wir während und nach der Veranstaltung mündliches und schriftliches Feedback: Viele empfanden die Diskussionen als extrem bereichernd!

Um genauer zu wissen, wie unserer TeilnehmerInnen die Veranstaltung fanden und welche Themen und Formate sie sich für zukünftige Veranstaltungen wünschen, machten wir zum Ende eine Umfrage. Deren Ergebnisse und die Reaktionen in den Sozialen Medien werden wir in „Der Nachlese dritter Teil: Die Reaktionen“ vorstellen und reflektieren.

Ein Beitrag von Kommunikationsteam Z

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