Digitale Projekte abschließen
Von der Idee bis zur fertigen Anwendung – und was passiert danach? Das Teilprojekt der Klassik Stiftung Weimar berichtet.
Das Teilprojekt heißt „Labor digital: Vermittlungsformate in und außerhalb der Museen“ – berichtet uns kurz zur Einführung, was ihr gemacht habt!
Wir haben uns mit Vermittlungsformen, sowohl in als auch außerhalb des Museums, beschäftigt: Das bedeutet, wir haben einerseits die digitale Anwendung „Aufgeschlagen!“ (als App-Modul in der App „Weimar+“ zur Nutzung im Rokokosaal der historischen Herzogin Anna Amalia Bibliothek) entwickelt und andererseits das Evaluierungstool für digitale Kulturangebote, genannt „k:evatool“, das außerhalb der Museumsräume nutzbar ist, geschaffen.
Unser Antrieb zur Entwicklung beider Projekte war, den vielfältigen Nutzer*innenbedürfnissen gerecht zu werden. Ganz konkret im Falle der Bibliothek: In unseren Gästebüchern fanden sich viele Einträge, in denen Gäste den Wunsch äußerten, bei ihrem Besuch des Rokokosaals hinter die Buchrücken blicken zu können.
Wie setzt sich Euer Team zusammen, welche Abteilungen des Museums bindet ihr wie in den Konzeptions- und Entwicklungsprozess ein?
Die Projektleitung und wir, die beiden Teilprojektkoordinator*innen, sind als Kernteam für museum4punkt0 im Stabsreferat Kulturelle Bildung der Klassik Stiftung Weimar angesiedelt. Für beide Projekte stehen wir in engem Austausch mit den Kolleg*innen der IT und der Marketingabteilung. Für das Teilprojekt „Aufgeschlagen!“ haben uns Fachkolleg*innen der Bibliothek beraten, etwa bei der Auswahl der Bücher und bei den Testläufen vor Ort.
Welche Methoden nutzt ihr für die Umsetzung, in welche Richtung gehen Eure Überlegungen?
Beim „k:evatool“ war uns wichtig, Umfragen abwechslungsreicher und nutzer*innenfreundlicher als bisher gestalten zu können. Dabei haben wir versucht, die Umfrage an die Anwendungen anzupassen: So lassen sich z.B. für die Evaluation eines Videoformats (in unserem Use Case: die Digitale Werkstatt) Fragen direkt in den Videoplayer einbauen, sodass sie beim Anschauen des Videos an definierten Zeitmarken eingeblendet werden.
Bei „Aufgeschlagen!“ war das Ziel, dass Gäste mit der „Weimar+“ App digital Bücher aus den Regalen nehmen können. Wir haben in der Konzeption die Persona-Methode genutzt, einen Fokusgruppen-Workshop durchgeführt und zum Testen des Prototyps verschiedene Fokusgruppen eingeladen. Mit diesen Methoden ist am Ende der Entwicklung eine für Gäste attraktive Anwendung entstanden.
Könnt ihr schon konkrete Beispiele nennen – welche Objekte wie über die Anwendungen präsentiert werden? Gab es dafür Auswahlkriterien?
Zu Anfang des Teilprojekts „Aufgeschlagen!“ stand fest, dass die Vermittlungsinhalte historische Bücher sein werden. Die Kuration erfolgte ausgehend von geäußerten Interessen einer Fokusgruppe und gemeinsam mit den Fachkolleg*innen: Es wurden Bücher ausgewählt, die eine spannende Herkunft aufweisen oder anhand derer sich Aspekte der Materialität – wie eine besondere Einbandgestaltung – erläutern lassen. Eines der Bücher trägt zum Beispiel eine Widmung von Kaiser Napoleon III., ein anderes hat ein Vorsatzpapier, das aus Tapetenmustern recycelt wurde.
Das Einsatzszenario der App-Anwendung sieht folgendermaßen aus: Der Gast tritt vor das Bücherregal, scannt einen visuellen Marker ein, sodass das vor ihm stehende originale Buch anhand von Augmented Reality mit dem Smartphone aus dem Regal genommen werden kann. Dann kann in den 3D-Modus gewechselt werden. Hier lässt sich das Buch auf dem Display von allen Seiten betrachten und aufschlagen. Die Informationsvermittlung erfolgt in dieser Anwendung über ein Audio-File.
Unsere Leser*innen interessiert natürlich besonders, ob und warum ihr Ideen verworfen habt, gab es zum Beispiel unerwartete Entwicklungen? Berichtet uns von eurem Entscheidungsprozess!
Bei der Entwicklung des „k:evatools“ standen wir im ständigen Austausch mit den Entwickler*innen. Den ersten Prototyp haben wir gemeinsam mit einer Gruppe Studierender der Hochschule Heilbronn getestet und konnten dadurch wertvolles Feedback erhalten, das in den weiteren Entwicklungsprozess eingeflossen ist. Entgegen unserer Erwartung wurde die Möglichkeit, eine Sprachaufnahme als Antwort aufzunehmen – wie es bei Messengerdiensten heutzutage weit verbreitet ist – von den Befragten teilweise nicht angenommen.
Die anfängliche Idee, für „Aufgeschlagen!“ die Signaturschilder auf den Büchern als visuelle Marker zu nutzen, mussten wir nach den ersten technischen Tests verwerfen. Es war nun die Aufgabe, einen Marker zu entwickeln, der sich ästhetisch ins historische Regal einfügt. Von den Fachkolleg*innen kam der Vorschlag, Buchschachteln, wie sie sowieso schon zwischen den Büchern stehend im Rokokosaal zu finden sind, als Träger für die benötigten AR-Marker „umzunutzen“.
Woran arbeitet ihr selbst gerade konkret und welche sind eure nächsten Schritte?
Beide Teilprojekte sind mittlerweile abgeschlossen und auf GitHub veröffentlicht. Für das „k:evatool“ ist jetzt ein zentrales Anliegen, die Nachnutzung zu fördern und für andere Kulturinstitutionen bei Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Auch die interne Nachnutzung und Implementierung in die Strukturen der Klassik Stiftung Weimar ist ein Prozess, der uns weiterhin begleitet. Auch bei „Aufgeschlagen!“ ist die Idee, die Anwendung gezielt Fachkolleg*innen von Bibliotheken vorzustellen.
Und zum Abschluss noch: Was ratet ihr Kolleg*innen aus dem Kulturbereich, die ein ähnliches Projekt angehen möchten?
Erstens: In der Entwicklungsphase möglichst frühzeitig erste technische Tests machen und sich „vor Ort“ zu treffen. Es war zum Beispiel hilfreich, sich im Teilprojekt „Aufgeschlagen!“ bei Arbeitstreffen direkt im Rokokosaal zu treffen, um das spätere Einsatzszenario der Anwendung unmittelbar vor Augen zu haben.
Zweitens: Die digitale Anwendung nicht getrennt von den übrigen vorhandenen oder geplanten Vermittlungsangeboten entwickeln, sondern im Zusammenwirken zu denken. Dazu hilft es auch, die User Journey zu skizzieren.
Drittens: Genügend Zeit für Nacharbeiten einplanen – unsere Projekte sind jetzt zwar abgeschlossen, aber es gibt trotzdem immer wieder kleine Probleme, die es zu beheben gilt, oder Erweiterungen, die noch umgesetzt werden können.
Fragen von Dr. Silke Krohn und Mira Hoffmann, Antworten von Florentine Holte und Nicolas Dittgen