Digitale Vermittlungstools erfolgreich nachnutzen
Wie kann die Nachnutzung von digitalen Anwendungen im Museum optimiert werden? Wie sie dieser Frage ganz praktisch begegnen, berichten unsere Görlitzer Kolleg*innen.
Das Teilprojekt heißt „Forschung in Museen erklären, verstehen, mitmachen“ – berichtet uns kurz zur Einführung, was Ihr vorhabt!
Hinter dem Titel verbirgt sich vor allem das Schaffen von immersiven und interaktiven Zugängen zum Verborgenen, wie zu Lebensräumen winzig kleiner Organismen, aber auch aktuellen Forschungsthemen und wissenschaftlichen Sammlungen. Darüber hinaus steht die Projektphase 2021 am Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz ganz im Zeichen der Nachnutzung. Dabei entwickeln wir einerseits Anwendungen aus der vorangegangen Projektphase weiter, um deren Nachnutzungspotential für andere Einrichtungen zu erhöhen. Beispielsweise soll die Ergänzung einer Einführungswelt die Nutzer*innen unserer Virtual Reality Anwendung „Abenteuer Bodenleben“ dazu befähigen sich selbstständiger in der virtuellen Welt zurecht zu finden, um somit den Betreuungsaufwand deutlich zu reduzieren. Andererseits nutzen wir Anwendungen von Verbundpartner*innen nach und passen diese an die Bedürfnisse und inhaltliche Ausrichtung unseres Museums an.
Wie setzt sich Euer Team zusammen, welche Abteilungen des Museums bindet Ihr wie in den Konzeptions- und Entwicklungsprozess ein?
In unserem jungen Team vereinen wir Fähigkeiten unterschiedlichster Disziplinen, wie Natur-, Kultur- und Sozialwissenschaften, aber auch Informatik und Mediengestaltung. Die daraus entstehenden Synergieeffekte ermöglichen es uns die vielfältigen Herausforderungen des Projektes gemeinsam zu meistern. Zur erfolgreichen Umsetzung und Integration der Anwendungen im Museum beziehen wir von Anfang an alle Mitarbeitenden des Museums – von der Haustechnik über die Verwaltung und IT bis hin zu den Wissenschaftler*innen und technischen Mitarbeiter*innen – ein: So arbeitet zum Beispiel Anika Neu, unsere Citizen Science-Mitarbeiterin bei der Durchführung von Workshops zum Thema Boden eng mit der Museumspädagogik zusammen. Auf diese Weise wird die App „BODENTIERhoch4“ langfristig in das museumspädagogische Programm integriert. Wieder andere Musemsmitarbeiter*innen haben wir zum kreativen Schreiben von Chat-Dialogen für die Museums-App „Mein Objekt Senckenberg“ gewinnen können. Sie geben ausgewählten Objekten eine Stimme und prägen dabei ganz individuell deren Persönlichkeit.
Welche Methoden möchtet Ihr für die Umsetzung nutzen, in welche Richtung gehen Eure Überlegungen?
Bei der Umsetzung unserer neuen, immersiven Anwendung zum Lebensraum Grundwasser durchlaufen wir beispielsweise einen iterativen Prozess. Dieser gewährleistet durch regelmäßige Feedbackschleifen, welche die Entwickler*innen, Wissenschaftler*innen und Ausstellungsmacher*innen gemeinsam durchlaufen, die realitätsnahe Darstellung des Lebensraums und der darin lebenden Organismen einerseits, aber auch die technisch und konstruktiv optimal abgestimmte Umsetzung im Kontext einer Wanderausstellung. Wichtige Entwicklungsschritte werden durch Nutzer*innen-Testings evaluiert und basierend darauf entsprechend angepasst.
Könnt Ihr schon konkrete Beispiele nennen – welche Objekte wie über die Anwendungen präsentiert werden sollen bzw. können? Gibt es dafür Auswahlkriterien?
Für die Nachnutzung der aus dem Verbund ausgewählten Anwendung „Mein Objekt Senckenberg“ sind wir bei der Objektauswahl folgendermaßen vorgegangen: Unsere Kollegin Lisa Lahr bat langjährige Mitarbeitende des Museums, ihr in den Dauerausstellungen deren Lieblingsexponate zu zeigen und Hintergrundinfos zur Objektherkunft, Expertenwissen und den persönlichen Bezug zu dem Exponat zu schildern. Darüber hinaus wurden auch die Nature Scouts – unsere jüngsten Nachwuchsforscher*innen am Museum – gefragt, welches Exponat sie besonders anspricht, durch welche Charaktereigenschaften es sich auszeichnet und was sie spannend daran finden. Die gesammelten Informationen flossen wiederum in die Objektauswahl für die Anwendung ein. Neben den inneren berücksichtigten wir dabei auch äußere bzw. räumliche Werte, denn aus jedem Ausstellungsbereich soll mindestens ein Objekt in die App miteinfließen. Aus der sorgfältig zusammengestellten Objektliste konnten sich die Teilnehmenden des Dialogworkshops ein oder mehrere Exponate auswählen, um für diese einen Dialog zu schreiben.
Unsere Leser*innen interessiert natürlich besonders, ob und warum Ihr Ideen verworfen habt, gab es zum Beispiel unerwartete Entwicklungen? Berichtet uns von Eurem Entscheidungsprozess!
Eines unserer Ziele der laufenden Projektphase ist die Nachnutzung von Anwendungen unserer Verbundpartner*innen. Hoch motiviert und enthusiastisch wollten wir möglichst 3 verschiedene Nachnutzungsszenarien erproben, um weiteren potentiell Nachnutzenden unsere Erfahrungen weitergeben zu können.
Bei der Auswahl der geeigneten, nachnutzbaren Anwendungen aus der Fülle der allesamt spannenden Formate der Verbundpartner*innen, wurde uns bewusst, dass wir strukturiert und mit gut überlegten Auswahlkriterien herangehen müssen. Wichtig waren uns beispielsweise neben dem über die Anwendung erzielbaren Mehrwert in der Vermittlung, das Interaktionskonzept, die mögliche Integration in die bestehende Ausstellung und die angesprochene Zielgruppe. Bereits während des Auswahlprozesses wurde klar, dass auch die Nachnutzung von bereits funktionsfähigen und erprobten Entwicklungen einen nicht zu unterschätzenden zeitlichen, wie auch monetären Aufwand bedeutet. Um den Nachnutzungsprozess jedoch einmal vollständig und erfolgreich durchlaufen zu können und anhand dessen wertvolle Erkenntnisse für uns, aber auch andere zu generieren, haben wir entschieden erst einmal nur eine Anwendung nachzunutzen.
Woran arbeitet Ihr selbst gerade konkret und welche sind Eure nächsten Schritte?
Aktuell führen wir im Museum die Evaluierung der um die Einführungswelt weiterentwickelten Virtual Reality „Abenteuer Bodenleben“ durch. Diese soll Aufschluss darüber geben, ob die Nutzenden tatsächlich zu mehr Eigenständigkeit in der virtuellen Welt befähigt werden und ob der Betreuungsaufwand des Personals dadurch reduziert wird. Die Erkenntnisse daraus übertragen wir auf die nächste Entwicklungsphase bzw. nutzen diese für finale Anpassungen. Auch bei „BODENTIERhoch4“ fließen nun die Learnings aus Workshops mit Multiplikator*innen und Anwender*innen in Weiterentwicklungen der App und des Webportals ein. Und während in regelmäßigen Schreibtreffs an den Dialogen für die „Mein Objekt Senckenberg“-App gefeilt wird, setzen wir mit unserer IT das Back- und Frontend der App auf. Ende 2021 werden uns all diese und viele weitere Schritte zu unserem Ziel – der erfolgreichen Umsetzung unserer Vorhaben, wie beispielweise die Veröffentlichung der App im Google Play Store und App Store – führen.
Und zum Abschluss noch: Was ratet Ihr Kolleg*innen aus dem Kulturbereich, die ein ähnliches Projekt angehen möchten?
Eines Ihrer wichtigsten Motive für solch ein Vorhaben sollte es sein, einen echten Mehrwert für Ihre Kultureinrichtung zu generieren. Auf die Schnelle „irgendetwas Digitales“ einzuführen, um „mitzuhalten“, zahlt sich unsrer Meinung nach langfristig nicht aus. Machen Sie sich zudem von Anfang an Gedanken über die Verstetigung Ihrer Anwendung und beziehen Sie Ihre Kolleg*innen aus den betreffenden Bereichen frühzeitig mit ein. Um die Attraktivität einer digitalen Anwendung langfristig aufrecht zu erhalten, bedarf es neben der technischen Wartung, wie Software-Updates zum Erhalt der Kompatibilität im Zuge von Hardwareweiterentwicklungen, auch einer fortwährenden inhaltlichen Aktualität und Relevanz. Auf diese Weise kann aus ephemeren digitalen Spielereien ein starkes und nachhaltiges Vermittlungstool werden.
Fragen von Dr. Silke Krohn und Mira Hoffmann, Antworten von Laila Ries, Lisa Janke und Kristin Baber