Nachgenutzt – Entscheidungsprozess für die Umsetzung von „Ping“ als „Mein Objekt – Senckenberg“

Mit der Chat-App „Mein Objekt Senckenberg“ auf dem eigenen Smartphone können Nutzer*innen mit Greifvogel, fleischfressender Pflanze oder Fischotter chatten, Foto: Lisa Janke, CC BY 4.0

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Verwandte Ergebnisse

Rubrik
Anwendungsbereich
Zielgruppe
Vermittlungsansatz
Technologie
Entwicklungsstand
Nachnutzung
App-Stores
iOS | Android

Das Projekt erprobte die Nachnutzung von im Verbund entstandenen Anwendungen. In einem dreistufigen Auswahlprozess wurden Nachnutzungspotenziale der vielfältigen Anwendungen für das Senckenberg Museum für Naturkunde – und damit exemplarisch für naturwissenschaftlich ausgerichtet Institutionen – untersucht. Anhand der Chat-App „Ping! Die Museumsapp“ wurde die inhaltliche Adaption und technische Implementierung einer Anwendung ganz praktisch erprobt.

Bibliographische Angaben

Institution
Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz
Teilprojekt
Forschung in Museen erklären, verstehen, mitmachen
Autor*innen
Prof. Dr. Willi Xylander, Lisa Lahr, Laila Ries, Lisa Janke
Veröffentlicht
13.06.2023
Lizenz der Publikation
CC BY 4.0
Kontakt
Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz
post-gr@senckenberg.de

Vorüberlegungen

Über die Ergebnisplattform des museum4punkt0-Verbunds stehen unzählige spannende und vielfältige Anwendungen zur Nachnutzung zur Verfügung. Doch was hilft Interessierten, eine begründete Entscheidung für die Nachnutzung und bei der Auswahl einer Anwendung zu treffen? Und wie verläuft ein strukturierter Nachnutzungsprozess ab? Welche Chancen und Herausforderung bietet die Nachnutzung? Das Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz widmete sich der Nachnutzung der von Verbundpartnern entwickelten digitalen Anwendungen. Dabei sollten Nachnutzungspotentiale für Naturkundemuseen exemplarisch evaluiert, die Inhalte an die eigenen Ausstellungen und Infrastruktur angepasst sowie Konzepte und Workflows für die technische Anpassung und Implementierung entwickelt und getestet werden. So wurde auch erprobt, wie Entwicklungen aus Museen anderer Sparten in einem neuen fachlichen Kontext adaptierbar sind, um neue Erkenntnisse für die disziplinen-übergreifende Nachnutzung zu gewinnen.

Strukturierter Auswahlprozess

Das zu Beginn gesetzte Ziel des Projekts war es, drei Entwicklungen aus dem Verbund am Naturkundemuseum nachzunutzen. Für die Auswahl der passenden Anwendungen wurde ein dreistufiger Prozess entwickelt, der bereits verschiedene Akteure des Museums einband.    Bereits in der dritten Stufe der Auswahl wurde das Ziel des Projekts anhand der Erkenntnisse aus dem Prozess angepasst. Statt dreier wurden zwei Anwendungen für die mögliche Nachnutzung ausgewählt, wovon eine priorisiert und anschließend mit deren Umsetzung gestartet wurde.

Der Auswahlprozess umfasste folgende Stufen:

Stufe 1

  • Sichtung aller im Verbund entstandenen und entstehenden Anwendungen
  • Kategorisierung der Anwendung
  • Entwicklung von Nachnutzung-Szenarien
  • erste Eingrenzung auf 10 Anwendungen

Stufe 2

  • Kontaktaufnahme mit Verbundpartnern für Rückfragen zu ihren Anwendungen
  • Verfeinerung und Konkretisierung der Kategorien
  • Diskussion innerhalb des eigenen Projektteams am Museum
  • Weitere Eingrenzung auf 5 Projekte

Stufe 3

  • Vertiefung des Kontakts mit den Verbundpartnern der ausgewählten Anwendungen
  • Diskussion mit eigener Projektleitung
  • Eingrenzung auf 3 Projekte
  • Diskussion der Auswahl vor Museumsleitung, gemeinsame Eingrenzung auf 2 Anwendungen, dabei Priorisierung 1 Anwendung
  • Start der Umsetzung der priorisierten Anwendung

Kategorisierung der Anwendungen

Alle Anwendungen aus dem Verbund wurden über der Ergebnisplattform des museum4punkt0 Verbunds (die sich damals noch in der Aufbauphase befand) gesichtet und grob kategorisiert. Besonders wertvoll waren die Filteroptionen sowie der Überblick zu jeder Anwendung (Zielgruppe, Vermittlungsansatz, Format, Anwendungsbereich, Kontakt). In einer detaillierten Tabelle wurden strukturelle und technische Charakteristika der Anwendung vergleichbar gemacht. In einem ersten kreativen Prozess wurde je ein kurzes Konzept angerissen, das die inhaltliche Übertragbarkeit auf den Anwendungsfall im Naturkundemuseum auslotete.

Die Herangehensweise, zuerst die große Menge alle entstandenen Anwendungen zu betrachten und eine Übertragung auf den eigenen Anwendungsfall vorzunehmen, war ein bereichernder, weitender Prozess, der zuerst viele Potenziale sichtbar machte, bevor ein Fokussierungsprozess dies wieder eingrenzte. Gleichsam war es unentbehrlich, die Sichtung der Anwendungen bereits auf die eigenen Gegebenheiten und die eigene Strategie zu fokussieren. Hier stellten sich Fragen wie:

  • Welchen Mehrwert kann die Anwendung für unser Museum bieten?
  • Welche Inhalte des Museums eignen sich zur digitalen Umsetzung?
  • Welche Zielgruppe soll erreicht werden?
  • Welche digitalen Formate passen zu unserem Museum?
  • Welcher Vermittlungsansatz passt zum Museum?
  • Welche personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen sind dafür vorhanden oder können hinzugezogen werden?

Die nachfolgende Tabelle stellt die entwickelten Kategorien in der linken Spalte vor. Die rechte Spalte zeigt beispielhaft die Anwendung „Kosmos Kaffee“ in der möglichen Nachnutzung am Görlitzer Naturkundemuseum.

KategorienBeispiel
Allgemeine Beschreibung
AnwendungKosmos Kaffee – Augmented Reality-Anwendung zu einer Sonderausstellung
Anwendungsbereichin der Ausstellung an einer bestimmten Stelle markiert, oder überall
Beschreibungspielerisch, in 3D eine Kaffeepflanze wachsen lassen, Bedingungen kennen lernen, Details und Zusatzinfos anschauen
Techniknative App (iOS, Android)
Zielgruppealle mit eigenem Smartphone
Nachnutzbarkeit
Nachnutzbarkeit insgesamtVariante 1: gut, die bestehende Anwendung kann direkt nachgenutzt werden
Variante 2: mittel, Anwendungs-Struktur mit eigenen Inhalten
Idee nachnutzbar?gut
Zum BeispielVariante 1: Kaffeepflanze wachsen lassen in der Dauerausstellung zum Regenwald
Variante 2: Andere Pflanzen oder Pilze in Dauerausstellung Oberlausitz wachsen lassen, z.B. „eigene Wiese pflanzen“ oder „Sonnentau wachsen lassen“ (Bezug zu bedrohten Lebensräumen wie Kulturwiesen durch Überdüngung, Moore).
Konkrete Anwendung technisch nachnutzbarVariante 1: Ja.
Variante 2: Struktur, Spielprinzip ja, aber neue Animationen von 3D-Modellen.
Aufwand gering mittel hochVariante 1: gering
Variante 2: mittel
Aufwand TechnikVariante 1: gering
Variante 2: mittel
Was wird an Technik gebraucht?Variante 1: ggf. WLAN in Ausstellung + ggf. Tablets zur Ausleihe anbieten
Variante 2: Zusätzliche Entwicklungsleistung animiertes 3D-Modell
Aufwand Personalgering
Aufwand InhaltVariante 1: gering
Variante 2: mittel
Was wird gebraucht?Variante 1: Einbindung der bestehenden Anwendung in die Regenwald-Ausstellung.
Variante 2: Konzept und Storyboard
Aufwand ZeitVariante 1: gering bis mittel
Variante 2: mittel
Umfang des Projektes, auf die Ausstellung bezogensehr spezifisch auf ein Thema
Nachhaltigkeit/langfristiger MehrwertVariante 1: mittel, da sehr fokussiert auf ein Thema dafür unabhängig von Bereitstellung der Technik durch das Museum, Werbung/Fokus auf Regenwaldausstellung
Variante 2: mittel bis hoch, neue spielerische Ebene zu einem bestehenden Exponat
Mehrwert für unser MuseumVariante 1: gering bis mittel, sehr spezifisch, nur mit ausreichender Integration
Variante 2: mittel bis hoch
Gesamteindruck zum MehrwertVariante 1: leicht nachnutzbar, aber eher Zerstreuung statt Bezug zu Ausstellung
Variante 2: neue spielerische Ebene für Dauerausstellung deren Exponate
Sonstigesabhängig von externer Wartung der App
Kategorien zur Einstufung der internen Nachnutzbarkeit der Projekte aus dem Verbund, Tabelle: Lisa Janke, CC BY 4.0

Aufbauend auf der entstandenen umfangreichen und detaillierten Übersicht der Anwendungen wurde diese um ein Ampel-System ergänzt und die einzelnen Kategorien gewertet (eher positiv – mittel – eher negativ). Die Wertung grenzte die Auswahl im Ergebnis auf zehn Projekte ein. Kriterien der Ampelbewertung waren die mögliche Umsetzung innerhalb der einjährigen Projektlaufzeit, Umsetzung mit wenigen finanziellen Mitteln und geringem Personalaufwand.

Die 10 ausgewählten Anwendungen wurden vertiefend analysiert. Über die in den entsprechenden Dokumentationen genannten Zielgruppen der einzelnen Anwendungen hinausgehend wurden die fünf Besuchsmotivationstypen nach der Modellierung John H. Falk (Falk o.D.) herangezogen und spezifische Fragen (z.B. speziell für Kinder und Familie geeignet? Spezifisches Thema oder Exponat oder die gesamte Ausstellung umfassend?) und zu offenen Aspekten aller Kategorien Fragen gesammelt.

Vertiefende Analyse, z.B. anhand der Motivationstypen und Sammlung offener Fragen, Abbildung: Lisa Janke, CC BY 4.0

Nach der Präzisierung und Wertung der Anwendungsübersicht erfolgte die begründete Auswahl der Nachnutzung von „Ping! Die Museumsapp“ für das Senckenberg Museum für Naturkunde. Durch den engen Kontakt zu den Verbundpartnern konnte daraufhin ein reibungsloser Übergang in den praktischen Umsetzungsprozess erfolgen. Für die Vorbereitung mit den App-Entwicklern gamelab.berlin erfolgen.

Technisches Konzept

Eine ausführliche Dokumentation zur Anwendung selbst, ihrer Entwicklung und Umsetzung und der Inhaltserstellung für die App ist hier zu finden: Ping! Die Museumsapp: Interaktion mit dem Exponat im Museum.

Implementierung und Inbetriebnahme

Für die inhaltlichen und technischen Implementierung wurde gamelab.berlin für Workshops, Beratung bei der Dialogerstellung und die Integration unseres Museums in das Backend der App, Abschlusstests und den App-Release beauftragt.

Aufbauend auf einer ersten Auswahl geeigneter Exponate wurden Kurzinterviews mit Mitarbeiter*innen des Ausstellungsteams geführt um erste Informationen zu sammeln. Die eigentliche Entwicklung der Inhalte wurde partizipativ gestaltet. Kontinuierlich wurden viele weitere Mitarbeiter*innen des Museums aus verschiedensten Abteilungen und auch einige wenige Besucher*innen als Dialogautor*innen gewonnen. Auftakt für die Dialogerstellung war ein Workshop mit den Entwicklern gamelab.berlin zur Personaentwicklung für die Objekte und zur Vorstellung der Funktionen des Chat-Builders, dem digitalen Tool zur Dialogerstellung. Über die folgenden Wochen kamen die Autor*innen in regelmäßigen Schreibwerkstätten in lockerer Athmosphäre zusammen, um sich gegenseitig bei Herausforderungen in der Textarbeit zu unterstützen. Die entstandenen Dialoge bilden in ihrer Vielfalt gleichsam wunderbar die unterschiedlichen Expertisen und Interessen, und vor Allem auch die Charaktere der Schreibenden ab. Die partizipative Inhaltserstellung war damit durchaus lohnenswert, benötigte aber auf Seiten der Projektmitarbeiter*innen erheblichen Betreuungsaufwand in der Organisation der Workshops und Schreibtreffs, Kontakthalten und Unterstützung mit Autor*innen und langwierige Redaktion der Texte bis zur Finalisierung und Implementierung in das Backend der App.

Den Startschuss für die partizipative Entwicklung der Inhalte für „Mein Objekt Senckenberg“ fiel mit einem Workshop zur Dialogerstellung, Foto: Laila Ries, CC BY 4.0

Auf technischer Seite wurden Profilbilder und Serienaufnahmen der Objekte, Grundrisse der Ausstellungsetagen, Screenansichten und ein App-Icon für die Implementierung in der App und deren Platzierung in den App-Stores vorbereitet. Dies konnte durch unsere hausinterne Grafik abgedeckt werden. Für die langfristige Integration der Anwendung in das Museumsangebot wurde durch die hausinterne IT begonnen, das Museum mit kostenfrei nutzbarem WLAN für die Besucher*innen auszustatten.

Das Know-How zur Pflege, Aktualisierung und Erweiterung der Inhalte konnte in internen Workshops an die Museumspädagogik übergeben werden. Derzeit wird daran gearbeitet, die Anwendung als Angebot fest im Tagesgeschäft zu verankern. Die ersten Erfahrungen mit der App zeigt außerdem, dass verstärkt auch Ressourcen in das Marketing der App investiert werden sollten. Damit das (neue) digitale Angebot auch tatsächlich zahlreiche Nutzer*innen erreicht, muss die App nicht nur auf den Social Media Kanälen und der Webseite des Museums, sondern auch im Ausstellungshaus selbst präsent platziert werden.

Ein Match mit einer Schellente führt in die Ausstellung zur Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, Foto: Daniel Gütschow, SMNG, CC BY 4.0

Bereitstellung der Nachnutzung

Sie sind an der Nachnutzung der digitalen Anwendung interessiert? Bitte wenden Sie sich an post-gr@senckenberg.de. Weitere Elemente der Nachnutzung finden Sie im Anhang dieser Publikation.

Nachnutzbare Elemente

Nachnutzbarkeit m4p0 Anwendungen (PDF)

Nachnutzbarkeit m4p0 Anwendungen – Zielgruppen (PDF)

Nachnutzungspotential ping! (PDF)

Quellenverzeichnis

Falk, John H. “Understanding the visitors‘ motivation and learning.” Letzter Abruf am 26. August 2020. https://slks.dk/fileadmin/user_upload/dokumenter/KS/institutioner/museer/Indsatsomraader/Brugerundersoegelse/Artikler/John_Falk_Understanding_museum_visitors__motivations_and_learning.pdf

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