Personas der Gemäldegalerie, Methodik von Persona-Verfahren und Visitor Journey Mapping

Bestandteile der Persona
Bestandteile der Persona, Grafik: Staatliche Museen zu Berlin / museum4punkt0, CC BY 4.0

Überblick

Um zu verstehen, wer unsere Besucher- und Nutzer*innen sind, was sie erwarten und welche Bedürfnisse sie haben, wenn sie ein Museum besuchen, hat das Teilprojekt zu Beginn der Arbeit eine breit angelegte empirische Grundlagenstudie durchgeführt. Grundthese der Studie ist, dass sich die Besucher*innen der Staatlichen Museen zu Berlin nach Besuchsmotivationen unterscheiden lassen und jeder Motivationstyp eine andere Visitor Journey hat. Visitor Journey meint hier das Zusammenspiel der verschiedenen individuellen und situativ stets verschiedenen Kontaktpunkte der Besucher*innen mit dem Museum – vor, während und nach dem Besuch. Über einen Zeitraum von einem halben Jahr wurden Besucher*innen von sechs verschiedenen Häusern der Staatlichen Museen mit Hilfe von Fragebögen und befragt. Daran anknüpfend wurden 20 Tiefeninterviews mit Besucher*innen der Gemäldegalerie durchgeführt. Die gesammelten Daten geben Auskunft über die verborgenen Motivationen, Gedanken sowie tieferliegenden Verhaltensmotive der Besucher*innen. Eine grafische Aufbereitung ermöglichte, diese in ihrer individuellen Visitor Journey sichtbar zu machen. Die Ergebnisse wurden dann mit denen der quantitativen Erhebung untermauert und für die Erstellung von Personas verdichtet. Persona sind Nutzer*innen-Modelle, die spezifische Zielgruppen mit ihren jeweiligen Ausprägungen und Motiven repräsentieren. Dadurch werden die spezifischen, motivationsabhängigen Bedürfnisse von Besucher*innen und Nutzer*innen greifbar und bilden die Basis zur Entwicklung exemplarischer Museumserlebnisse.

Die erstellten Persona sind hilfreiche Werkzeuge zur Entwicklung und Optimierung Nutzer*innen-zentrierter Vermittlungs- und Kommunikationsansätze. Sie können dabei helfen, eventuell bestehende Lücken in den Visitor Journeys leichter erkennbar zu machen und das Zusammenspiel zwischen digitalen und analogen Angeboten als holistisches Erlebnis zu gestalten.

Bibliographische Angaben

Institution
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Teilprojekt
(De-)Coding Culture. Kulturelle Kompetenz im Digitalen Raum
Autor*innen
Josefine Otte
Veröffentlicht
15.12.2020
Lizenz der Publikation
CC BY 4.0
Kontakt
Josefine Otte
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
m4p0.m1@smb.spk-berlin.de

Einführung

Ziele der Erstellung von Personas bei museum4punkt0

Wer die Besucher*innen der Staatlichen Museen zu Berlin sind und welche Erwartungen und Bedürfnisse sie innerhalb ihrer individuellen Visitor Journey – also vor, während und nach dem Museumsbesuch – haben, wurde mit Hilfe einer Grundlagenerhebung erfasst. Auf Basis der hier erfassten quantitativen und qualitativen Daten wurden Personas erstellt, die als Werkzeug in einem nutzer*innenzentrierten Entwicklungsprozess dazu dienen, die betreffenden Zielgruppen besser zu definieren, ihre tieferliegenden Beweggründe zu verstehen und Verbesserungspotentiale im Service-Angebot aufzuzeigen. Die Annahme, dass die Besuchenden der Staatlichen Museen zu Berlin in ihren Besuchsmotivationen voneinander zu unterscheiden seien, konnte in der Grundlagenerhebung plausibel aufgezeigt werden. Dem folgend war es das Ziel, fünf Personas – also eine für jeden Besuchsmotivationstypen nach John H. Falk (Falk o.D.) – zu erstellen. Die Stärke des Werkzeugs besteht darin, dem theoretischen Nutzer*innen-Typen Leben einzuhauchen, soziale und emotionale Daten greifbar zu machen und somit zielgruppenspezifische Entscheidungen im Designprozess zu erleichtern. Dabei wurde von einem ganzheitlichen Museumsbegriff ausgegangen, der nicht allein den physischen, sondern auch den digitalen Raum miteinschließt und in Abhängigkeit voneinander sieht. Bevor im Folgenden auf die Ergebnisse dieser Vorüberlegungen – also die konkreten Persona-Sedcards – eingegangen werden soll, dient der nächste Abschnitt einer methodisch-theoretischen Einordnung. 

Was sind Personas? Definition und Möglichkeiten

Als der Erfinder der Persona-Methode gilt der Interaktionsdesigner Alan Cooper. Als Software-Entwickler stellte er die Notwendigkeit heraus, sich bei der Programmierung nicht auf die Codes selbst, sondern auf die bedürfnisorientierte Gestaltung von Programmen für die späteren Nutzer*innen zu konzentrieren (Cooper, Reimann 1995, Cooper 1999).

„Personas are fictional characters, which you create based upon your research in order to represent the different user types that might use your service, product, site, or brand in a similar way. Creating personas will help you to understand your users’ needs, experiences, behaviours and goals.“

(Dam, Siang o.D.)

Es handelt sich bei Personas also ganz konkret um hypothetische Archetypen, die die tatsächlichen Nutzer*innen repräsentieren – nicht jedoch um reale Personen, wie man sie im Eingangsbereich des Museums befragt hat, und auch nicht um demografische Profile wie sie aus quantitativen Befragungen hervorgehen (Dam, Siang o.D.). Nach Alan Cooper steht eine Persona repräsentativ für eine Schnittmenge von, in unserem Fall, Besucher*innen, die dieselben Ziele verfolgen, von den gleichen Motivationen und Bedürfnissen angetrieben werden. Dem Team, welches zielgruppenorientiert arbeiten möchte, fällt es durch die Personifizierung der Gruppe leichter, von einem gemeinsam gültigen Bild der anzusprechenden Besucher*innen auszugehen. 

So dient eine Persona als Orientierungspunkt für alle kunden- oder besucher*innenorientierten Entscheidungsprozesse, etwa im Bereich der Vermittlungsformat- oder Serviceentwicklung oder des Marketings. Um nutzbar zu sein, werden Personas als sog. Sedcards – also graphisch aufbereitete und übersichtliche Dokumente – als PDFs oder Poster erstellt (Oeding 2018). Sie enthalten typischerweise neben einem fiktiven Namen und einem Bild auch weitere Kategorien, die auf spätere Einsatzszenarios, den Fragestellungen und Aufgaben der Projektarbeit abgestimmt sind. Angaben zu Beruf, Familienstand, Freizeitgestaltung, Informationsverhalten – all diese Angaben sollten von einem validen Datenfundament abgeleitet werden um als verlässliche Quellen einer nutzer*innenzentrierten Konzeption und Entwicklung zu sein: „This is where you transform data into emotion“ (Joosten 2017). Cooper stellt weiterführend die Notwendigkeit einer signifikanten – nicht zu generischen – Gestaltung heraus, um eine Empathie-getriebene Vorstellung davon zu erwecken, wie die Persona ihr Leben führt und welche Haltungen, Erwartungen und Bedürfnisse darin verankert sind (Cooper, Reimann 1995, 68). Hierbei helfen auch fiktive Zitate, die den jeweiligen Lebensstil transportieren, beispielsweise: „Zeit ist Geld! Ich bin immer auf dem Sprung!“

Als eine besonders effiziente Methode der Visualisierung von qualitativen Besucher*innenforschungsdaten als Schlüsselelement einer Persona für Museen stellen Allegra Burnette, Megan Paqua und Sydney Steward das Visitor Journey-, bzw. Visitor Experience Mapping heraus (Burnette o.D.; Paqua, Steward o.D.). Hierbei handelt es sich um die Aufschlüsselung der unterschiedlichen Schritte der Besuchenden durch ihr Besuchserlebnis, unterschieden in die Phasen vor, während und nach dem eigentlichen Ausstellungsbesuch. Beantwortet der Hauptteil der Persona die Fragen „Wer?“ und „Was?“ zur Zielgruppe, werden bei der Visitor Journey Map die wichtigsten Stationen des Besuchserlebnisses  und jeweiligen Entscheidungsprozesse während der Interaktion zwischen Besucher*innen und Institution in ihren jeweiligen Kontaktpunkten besonders deutlich – auch Strategien, Bedürfnisse und Stolpersteine können schnell erfasst werden (Kalbach 2016).

„For a museum, this exercise can be effective in creating experiences for distinct audiences: discussing an experience from multiple perspectives helps to define the core elements and goals of an exhibition or project and „stress-test” how well these ideas are communicated to the user.“

(Paqua, Steward o.D.)

Idealtypisch ist eine Visitor Journey Map in verschiedene Zonen eingeteilt um einen möglichst holistischen Blick auf das Erlebnis zu erhalten: Tätigkeiten, Handlungen, Emotionen sowie positive oder negative Vorkommnisse, die das Besuchserlebnis geformt haben und somit in Beziehung und Abhängigkeit zueinander gesetzt werden können (Kaplan 2016). Die genannten Kontaktpunkte zwischen Besuchenden und Institution können Interaktionen, aber auch Wahrnehmung von Kommunikationsmaßnahmen oder Services sein. So wird ein ganzheitliches Verständnis eines Museumsbesuches gefördert, der sich nicht allein im physischen Ausstellungsraum, sondern während der Planung und des Follow Ups zum Besuch auch im virtuellen Raum stattfindet (Brilliant Idea Studio o.D.).

Die Bedeutung besucher*innenzentrierten Weiterentwicklung des Museumsbetriebes mit Hilfe von zeitgenössischen Methoden und Daten der empirischen Marktforschung geht überzeugend einher mit den Schlüssen John H. Falks:

„If we can help visitors with these motivations feel like they have succeeded then they will  leave feeling good and are either likely to return or to give word-of-mouth recommendations.  People won’t come if they don’t perceive that the museum will satisfy their identity related needs.“

(Duplessis 2011)

Kritik an der Persona-Methode

Obwohl Personas als Basis-Methode zum wissenschaftlichen Standard im Bereich menschzentrierter Entwicklung geworden ist, wurden im wissenschaftlichen und praxisnahen Diskurs einige Probleme identifiziert. So schlägt Donald Norman vor, möglichst kostensparend mit Ad-Hoc-Personas zu arbeiten, die auf den Erfahrungen und dem Vorwissen des Entwicklungsteams mit den jeweiligen Zielgruppen basieren (Norman 2018). Vor dem Hintergrund seiner Beratungstätigkeit unterschiedlicher Wirtschaftsunternehmer resümiert Norman, dass oft zu wenig Zeit und Budget zur Verfügung steht, um empirisch saubere Daten als Grundlage für die Persona-Erstellung zu generieren und folgert daraus:

„Instead, I have found that people can often mine their own extensive experiences to create effective Personas that bring home design points strongly and effectively.“

(Norman 2018)

Sein Gegenentwurf, die sog. Proto-Personas, entstehen in Workshops auf Basis von Erfahrungswerten und Annahmen aus Vertrieb, Marketing, Entwicklung und Service. Norman sieht die Persona als ein Kommunikations-Vehikel, welches ein Projektteam zur Diskussion und Auseinandersetzung z.B. in Form von Rollenspielen über die spätere Zielgruppen anregt. Auch Lex Joosten schlägt vor, Personas in Form von Team-Workshops auf Basis der Daten zu kreieren, die schnell und einfach zur Verfügung stehen: Web-Analyse-Daten oder Evaluationsergebnisse von Social Media Kommentaren (Joosten 2017). Wie die Formulierung Proto-Persona bereits schließen lässt, mag diese Form der Persona-Erstellung als erster Aufschlag in einem iterativen Prozess absolut gerechtfertigt sein. Jedoch gilt: Je genauer die Datenbasis, desto geringer ist das Risiko falscher Annahmen. Geht es um die Entwicklung großer Projekte oder übergreifender strategischer Entscheidungen innerhalb der Institution, kann auf eine Validierung mit Hilfe von Besucher*innenforschung nicht verzichtet werden. Sollen Personas durch eine Visitor Journey Map angereichert werden, ist die Durchführung von qualitativen Interviews mit Besuchenden unumgänglich. 

Unumstritten bleibt der Fakt, dass die bloße Erstellung von Personas in Form von visuell aufbereiteten Dokumenten oder Postern noch nicht zwangsläufig zu einer Berücksichtigung der Besucher*innen-Interessen in der Entwicklungsarbeit führt. So wird den Sedcards oft ein fehlendes Nutzungsszenario vorgeworfen, also ein Narrativ, welches die tatsächlichen Beweggründe der Persona für die Museumsarbeit greifbar macht (Spool 2018). Die Erstellung eines solchen ausformulierten Szenarios mit Hilfe konkreter Fragestellungen aus der Projektarbeit sollte also Teil der Arbeit mit Personas sein. Während die Persona ein fiktiver Charakter ist, schaffen die Anwendungsfälle die Transferleistung bzw. den Kontext vom Besucher*innenmodell hin zu den Problemstellungen mit denen sich das Projektteam befassen möchte. Die Verwendung von Original-Zitaten aus den Interviews, Rollen-Spiele oder die Erstellung von regelmäßig erscheinenden Newslettern aus Persona-Perspektive können hier probate Mittel für das Engagement aller Stakeholder sein. Im zweiten Schritt können dann verbesserte Nutzungsszenarios aus Sicht der Zielgruppen erstellt werden, die verdeutlichen, wo neu entwickelte Services ansetzen, welche Vision für das Projekt definiert wurde. Die Narration ersetzt jedoch nicht die Erstellung von Personas, wenn es darum geht, grundsätzliche (Besuchs-)Motivationen, Haltungen und daraus resultierende Erwartungen zu erfassen und auf die Visitor Journey zu beziehen. 

Grundlagen-Personas bei museum4punkt0

Erläuterung der Persona-Sedcards und ihrer Bestandteile

Für das Teilprojekt Visitor Journeys neu gedacht der Staatlichen Museen zu Berlin sind auf Datenbasis der Grundlagenstudie für die Gemäldegalerie fünf übergreifende Personas erstellt und graphisch aufgearbeitet worden. Für jeden Besuchsmotivationstyp nach John H. Falk wurde eine Persona erstellt, die sich grundlegend aus einem klassischen Persona-Teil und einer Visitor Journey Map zusammensetzt. 

Bestandteile der Persona
Bestandteile der Persona, Grafik: Staatliche Museen zu Berlin / museum4punkt0, CC BY 4.0

Jede Persona Sedcard ist oben links mit ihrem jeweiligen Titel, also dem Namen des Besuchsmotivationstypens (1) versehen. Um ein Gefühl davon zu vermitteln, um welchen prozentualer Anteil der Besucherschaft der Gemäldegalerie es sich bei diesem Typen handelt, wurde dieser Wert direkt darunter angefügt. Um zu verstehen, was den jeweiligen Motivationstyp ausmacht, wurde eine prägnante Beschreibung gewählt und durch ein geglättetes Zitat aus den qualitativen Interviews ergänzt (2). Es entsteht somit ein lebensnahes, griffiges Bild dieses Besucher*innen-Typs, das mit einem entsprechenden Piktogramm unterstrichen wurde, um möglichst gut im Gedächtnis zu bleiben. 

Treu den Vorgaben einer klassischen Persona ist jede Sedcard mit einem fiktiven Steckbrief mit Name, Alter, Wohnort und Berufsbezeichnung versehen (3). 

Aufgrund des museum4punkt0 inhärenten Fokus auf digitale Museumsangebote, findet sich hier eine knappe Klassifizierung der Nutzung mobiler Devices (4) unter den Leitfragen: Wie häufig? Zu welchem Zweck?

Ein besonderes Anliegen bei der Persona-Erstellung war die Vermittlung des Zusammenhangs zwischen Besuchsmotivation und der Bedürfnislage des Typs. Möglichst eingängig und überschaubar wurden deswegen Bedürfniscluster rundum den Ausstellungsbesuch identifiziert und mit Hilfe eines Punkterankings für die jeweilige Zielgruppe kategorisiert (5). Dies macht auch einen schnellen Vergleich der Personas möglich. 

Den zentralen Teil der Sedcard macht die Visitor Experience Map (6) aus, welche piktographisch an einen Gang durch das Museum erinnern soll, jeweils auch mit der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer im Haus versehen. Das Erlebnis wird über die Besuchsphasen – vor, während und nach dem Besuch – hinweg hier archetypisch in seinen „actions, mindsets and emotions“ (Kaplan 2016) und Kontaktpunkten nachgezeichnet. Ein besonderer Fokus liegt hierbei vor allem auf den sog. Painpoints in rot und Highlights in grün, welche besondere Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Ausstellungsbesuchs haben. 

Analog zu den Besuchsphasen gliedert sich an die Experience Map unten die tabellarische Wiedergabe der Visitor Journey (7) an, welche weitere Einblicke zum Thema Informationsverhalten der Persona aufweist. Diese machen es im Nachgang möglich, eventuelle Leerstellen und Verbesserungspotentiale der Institution aus Nutzer*innen-Perspektive abzuleiten. 

Erläuterungen zum Erstellungsprozess

Um aus der breiten quantitativen Datenlage der Grundlagenerhebung in der Gemäldegalerie fünf prägnante Personas ableiten zu können, führte eine externe wissenschaftliche Beraterin nach der Datenbereinigung eine Two-Step-Clusteranalyse durch. Hierbei wurden zwei Cluster gebildet und die Variable „Alter“ standardisiert. Als weitere Variablen dienten Geschlecht, Bildung, Tätigkeit, Wiederholungsbesuche und der Wohnort. Die berechneten Cluster dienten als erste Anhaltspunkte, sog. Primär-Personas, für die Segmentierung und demographische Ausgestaltung der späteren Personas:

Demographische Segmentierung als Basis für die Personas der Gemäldegalerie
Demographische Segmentierung als Basis für die Personas der Gemäldegalerie, Grafik: Staatliche Museen zu Berlin / museum4punkt0, CC BY 4.0

Um die Anzahl der Personas überschaubar zu halten, wurde jeweils eine Spalte von Merkmalen pro Motivationstyp innerhalb eines Teamworkshops selektiert (in der Abbildung mit Punkt markiert). Hieraus konnten die wichtigsten Bausteine des Persona-Steckbriefes – Geschlecht, Alter, Tätigkeit (fiktiv), Wohnort (fiktiv, wenn Ausland oder D) – direkt abgeleitet werden.

Um die Persona auf qualitativer Ebene ausgestalten zu können, wurden anschließend, zur Herausstellung relevanter und aussagekräftiger Parameter und Kategorien, Leitfragen an das Datenmaterial entwickelt und im chronologischen Ablauf der Phasen einer typischen Visitor Journey aufgelistet. Dabei ging es vor allem darum, festzustellen, welche Informationen für die Projektarbeit benötigt werden, da nur so eine Nutzbarkeit von Personas gewährleistet werden kann. Hierfür bietet sich die Durchführung eines Workshops mit allen Stakeholdern an, die anschließend mit den fertigen Personas arbeiten sollen.

VOR DEM BESUCHBesuchsmotivationWie/Warum kommt die Persona auf die Idee das Museum zu besuchen?
BesuchserwartungenWas erwartet die Persona vom Museumsbesuch?
BesuchszeitenWann und wie besucht die Persona das Museum? (Einzel-/Gruppenbesucher*in? Mit Partner*in?)
VorbereitungWie informiert sich die Persona vor dem Besuch?
WÄHREND DES BESUCHSMediennutzungWelche Medien rezipiert die Persona im Museum am liebsten?/ehesten? Besitzt die Persona ein Smartphone/Tablet und möchte dies gern im Museum benutzen?
Bedürfnis nach DiversitätBarrierefreie Zugänge, Mehrsprachigkeit, diverse Themen, Gender, Multiperspektivität, Kontexterweiterung
Außerhalb der AusstellungWelche Museumsbereiche sind für die Persona besonders interessant?
NACH DEM BESUCHNach dem BesuchWas macht die Persona zum Ende des Museumsbesuchs? Was macht die Persona nach dem Museumsbesuch? Reflektiert sie den Museumsbesuch?
WiederkehrWird die Persona das Museum erneut besuchen?

Zur Beantwortung der oben definierten Leitfragen wurden erneut die Ergebnisse der extern vergebenen Auswertungsarbeit herangezogen: Auf Basis der quantitativen und qualitativen Daten waren hier Visitor Journeys und Bedürfnis-Wheels für jeden Motivationstypen erstellt worden, dessen prägnanteste Punkte – besonders in den Bereichen der Tätigkeiten, des Informationsverhaltens und der Emotionen – auf den Persona Sedcards Eingang fanden. Sie wurden ebenfalls genutzt, um die Bedürfnispunkte (5) zu vergeben.

Die folgende Abbildung zeigt den daraus resultierenden Arbeitsstand, der anschließend zusammen mit einer Graphikerin zugunsten einer besseren Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit überarbeitet wurde:

Erster Entwurf der Persona Sedkarte, Grafik: Staatliche Museen zu Berlin / museum4punkt0, CC BY 4.0

Im Zuge der graphischen Aufbereitung der ersten Persona-Iteration fiel die Entscheidung der Trennung von Informationsverhalten im Verlauf der Visitor Journey im Speziellen und der Visitor Experience (Map) im Allgemeinen – oben „Handlung“ und „Gefühl“ benannt – um inhaltliche Doppelungen zu vermeiden und eine bessere Übersichtlichkeit zu erreichen. Klar und auf den ersten Blick differenzierbar werden somit die Kanäle bzw. Kontaktpunkte zwischen Institution und Besuchenden und die jeweiligen Bedürfnisse und Entscheidungen der Persona, die abhängig von der Besuchsmotivation ist. Der Fokus auf die Visitor Journey, die sich nicht allein auf den Aufenthalt im Haus beschränkt, sondern bereits bei der Inspiration zum Ausstellungsbesuch beginnt und mit einem wie auch immer gestalteten Nachbereiten endet, ist sehr zentral. 

Die Möglichkeiten der Persona-Visualisierung sind mannigfaltig und sollten unbedingt vom jeweiligen Erkenntnisinteresse abhängig gemacht werden. Weiterführende Beispiele und Anregungen zur Gestaltung von Personas sind in den Fußnoten dieser Publikation vermerkt.

Vorstellung der Personas im Narrativ

Nach der theoretisch-wissenschaftlichen Einordnung der Persona-Methode sowie den Erläuterungen zu Zielstellung und Genese der Persona-Umsetzung im Teilprojekt Visitor Journeys neu gedacht von museum4punkt0 soll es im nun folgenden Teil um die konkreten Inhalte der fünf entstandenen Sedcards gehen. Um der Persona-Methode konsequent zu folgen begeben wir uns hierzu in medias res und stellen die jeweiligen Besucher*innentypen innerhalb eines spezifischen Handlungsszenario vor. 

Professional/Hobbyists

Die 70 jährige Elisabeth aus Berlin wohnt in Schöneberg nur wenige Minuten vom Kulturforum entfernt. Unverzichtbar sind daher für sie die wöchentlichen Besuche der Gemäldegalerie geworden, für welche sie sich auch eine Jahreskarte der Staatlichen Museen zu Berlin angeschafft hat. Regelmäßig konsultiert Elisabeth die Webseite der Staatlichen Museen und lässt sich vom Newsletter über neue Ausstellungen informieren, die sie oft bereits wenige Tage nach der Eröffnung besucht und den jeweiligen Ausstellungskatalog gern ihrer privaten Kunstbibliothek zu Hause hinzufügt. Besonders die Kunst der Renaissance hat es ihr angetan – so ist auch ihr Lieblingsreiseziel seit der Jugend die Toskana. Leider ist es am Kulturforum nicht so schön wie auf der Piazza della Signoria, aber im Foyer angekommen fühlt sie sich schnell wie zu Hause. Viele Mitarbeiter*innen am Ort kennen sie bereits. Sie bleibt manchmal zu einer kleinen Unterhaltung stehen und fragt, wann man sich wieder für die Akademievorträge anmelden kann. Schade, dass hier immer so wenig los zu sein scheint – der Ort sollte ihrer Meinung nach viel bekannter sein! Bei ihrem heutigen Rundgang zieht es sie vom Einlass der Gemäldegalerie in der Rotunde direkt in die Wandelhalle, die mit der Sonderpräsentation „Im neuen Licht“ aufwartet. Wie erhaben die Highlights der Dauerausstellung doch durch ihre exponierte Hängung und der tollen Beleuchtung wirken! Die Wandtexte sind ihr jedoch zu knapp – da hätte sie doch lieber mehr Hintergrundinformationen über die Bildinhalte und Künstler*innen. Zu ihrem Lieblingskünstler Raffael findet sie heute jedoch schwer: Wo ging es noch einmal entlang? Die temporäre Neugestaltung der Wandelhalle hat die Wegfindung nicht gerade einfacher gemacht. Wegen ihrer häufigen Besuche möchte sie eigentlich nicht jedes Mal einen Lageplan mitnehmen müssen. Endlich angekommen, setzt sie sich gern auf eine Bank und lässt die Meisterwerke auf sich wirken. Sie nimmt sich gern die Zeit, um in Zwiesprache mit den Bildnissen zu gehen, nutzt auch häufig die Gelegenheit, ganz nah heranzutreten und die Farben, Pinselstriche und Details zu analysieren. Sobald die Beine müde werden, macht sie sich auf den Weg zur Garderobe – leider oft mit dem ein oder anderen ungewollten Umweg, weil es keine Rundweg-Beschilderung gibt und auch der zentrale Ausgang nicht ausgewiesen ist. Sie wandert noch einmal kurz an den Bücherregalen des Museumsshops entlang auf der Suche nach einer Künstlermonographie zu Davide Ghirlandaio, dessen Werk in der Wandelhalle ganz besonders spannend auf sie gewirkt hat und über den sie deswegen unbedingt mehr erfahren möchte. Beim Nachmittagskaffee wird sie in aller Ausführlichkeit ihrer Freundin von der Sonderpräsentation berichten und ihr einen zeitnahen Besuch ans Herz legen.

Explorers

Sabine, 42 Jahre, kommt aus Graz und hat sich eine Woche Zeit genommen, um Berlin zu entdecken. Mit dem Mietfahrrad erkundet sie die Stadt, hält einfach da an, wo ihr Blick an etwas Spannendem hängen bleibt. Ihre Freundin, die sie noch aus dem Mathematik-Studium kennt und die erst kürzlich nach Berlin gezogen ist, empfiehlt ihr den Besuch des Kulturforums. Schnell hat sie auf ihrem Smartphone nachgesehen, was das Kulturforum überhaupt ist und welche Museen es dort zu entdecken gibt. Die Sonderausstellung „Im neuen Licht“ spricht sie an und somit entscheidet sie sich schnell zum Besuch der Gemäldegalerie an diesem Tag. Am Ort angekommen fragt sie sich erst einmal, wo sie denn genau hinmuss. Ist der Eingang etwa ganz am Ende von diesem kahlen Platz? Sie folgt einer Schulklasse, die sich zielstrebig an den Bauzäunen vorbei und anschließend die Treppen nach oben begibt. Um keine Zeit zu verlieren, fragt Sabine gleich an der Kasse, wo es zu den Schließfächern und den Eingang zum Ausstellungsraum geht. Als sie feststellt, dass es ab der Rotunde gleich drei Durchgänge in verschiedene Räume gibt, nimmt sie sich einen Lageplan mit, der ihr aber im ersten Moment kein Gefühl dafür vermittelt, was hier eigentlich wie gezeigt wird. Gibt es hier einen Startpunkt? Womit beginnt die Geschichte? Die Ausstellungsansicht der Wandelhalle ist ihr von ihrer Online-Recherche bekannt. Nach ein paar Schritten und der näheren Betrachtung der Wandtexte versteht sie, dass es hier um ganz besondere Stücke der epochenübergreifenden Sammlung der Gemäldegalerie handelt, die bisher hauptsächlich im Depot aufbewahrt wurden. Für jede Stilrichtung gibt es hier vertretene Bildnisse und vertiefende Informationen. Wie spannend! Sabine nimmt sich viel Zeit, um die dargebotenen Informationen zu lesen und an den Ausstellungsstücken nachzuvollziehen. Als sie damit fertig ist, lenken sie ihre Schritte in die dahinter befindlichen weiteren Ausstellungsräume. Hier kommt sie sich aber schnell verloren vor, sie kann die Raumabfolge nicht nachvollziehen und es gibt einfach viel zu viele Bilder, für deren eingehende Betrachtung sie jetzt einfach schon zu erschöpft ist. Als sie wieder in der Rotunde steht und nochmal einen Blick zurück in die wohl gestaltete Wandelhalle wirft, erfüllt sie ein Gefühl der Freude. Was für eine tolle Ausstellung! Der Besuch hat sich wirklich gelohnt. Ihr Lieblingsgemälde möchte sie gerne im Shop als Postkarte erstehen um ihrer Freundin, die bereits seit über einer halben Stunde in einem Café am Potsdamer Platz auf sie wartet, davon zu erzählen. Dass es bei Sabine immer etwas länger dauert, weil sie so neugierig ist und manchmal einfach gern nochmal genauer hinschaut, ist sie schon gewohnt.

Facilitators

Mit seinen Schüler*innen aus einer Kreuzberger Grundschule geht der vierzigjährige Lehrer Michael regelmäßig in die verschiedenen Häuser der Staatlichen Museen zu Berlin. Für viele Kinder gehören Museumsbesuche nicht zum Alltag und so hat Michael vor einigen Jahren das Projekt der „privaten Kinderakademie“ ins Leben gerufen: Er wünscht sich für die Grundschüler*innen, keine Scheu vor Museen und Ausstellungshäusern zu entwickeln, immer neugierig zu sein und kulturelle Angebote ganz selbstverständlich und auf ihre ganz persönliche Art und Weise wahrzunehmen. Alle Besuche des Schulhalbjahres plant er bereits im Voraus und spricht sich hierzu mit den Besucherdiensten der Staatlichen Museen ab. Leider wechselt hier regelmäßig der oder die Ansprechpartner*in und er muss jedes Mal von vorn erklären, was für eine Veranstaltungsreihe er durchführen möchte und was er dafür benötigt. Gerne würde er auch die Themen einer jeden Sitzung für das gesamte Halbjahr im Vorfeld schon mit der oder dem Vermittler*in festlegen, aber ärgerlicherweise musste er schon manches Mal erleben, dass Bildwerke am Tag des Workshops nicht ausgestellt waren und auch niemand darüber proaktiv informieren konnte. Für die Planung und inhaltliche Vorbereitung konsultiert Michael in der Regel die Online-Sammlungen der Staatlichen Museen, findet aber nicht alle Objekte für seine Arbeit gleichermaßen ausführlich auf der Internetseite ausgeführt. Wenn er mit seiner Gruppe im Foyer der Gemäldegalerie ankommt, soll alles möglichst schnell und unkompliziert gehen: Anmeldung, Gruppenumkleide, Toiletten. Mit so vielen aufgeregten Kindern möchte man keine Umwege machen und Mitarbeiter*innen nichts mehr erklären müssen. Die Schüler*innen sind munter, neugierig und aufgeweckt. Sie stellen schon auf dem Weg durch die Ausstellungsräume viele Fragen zu Bildnissen, die ihnen ins Auge fallen. Dabei empfindet Michael die Beschriftungen der Dauerausstellung oft als ungenügend: Um die Fragen schnell beantworten zu können, bräuchte er ein Informationsangebot, welches ihm die wichtigsten Punkte zu Werken, Epochen, Stilen, oft auch Bildinterpretationen an die Hand gibt, um sie in eigenen Worten an die Schüler*innen weiter geben zu können. Michael möchte seiner Arbeitsgruppe die Gemäldegalerie als Ruhepol und Ort der Inspiration in einem ansonsten sehr hektischen Alltag vermitteln. Nichtsdestotrotz würde er sich mehr Angebote vor Ort, aber auch schon für zu Hause wünschen, die Ausstellungsinhalte spielerisch vermitteln, den Kindern Anhaltspunkte dafür liefern, was die Kunst eigentlich mit ihnen zu tun hat. Am Ende des Ausstellungsbesuches tritt Michael an einem Ort, an dem es niemanden stört, wenn gegessen, gelacht und auch ein bisschen getobt wird, gern noch einmal in den Austausch mit den Teilnehmenden: Haben sie noch Fragen? Was hat ihnen besonders gefallen und was vielleicht nicht so sehr? Wenn er die Möglichkeit findet, geht er noch einmal schnell in den Museumsshop und kauft einige kleine Erinnerungsstücke für die Portfoliobücher der Schüler*innen, welche sie zum Ende des Schuljahres mit nach Hause bekommen.

Experience Seekers

Der Kölner Sales Manager Robert, 43 Jahre, hat sein verlängertes Wochenende in Berlin schon seit einigen Wochen geplant. Museumsbesuche sind bei einer Städtereise für ihn unerlässlich, weswegen er sich im Vorfeld immer online informiert, welche Häuser man unbedingt gesehen haben muss und welche berühmten Originale am Ort sind. Die großen Namen Raffael, Tizian, Rubens und Dürer haben ihn auf die Gemäldegalerie aufmerksam gemacht, wobei er die für ihn interessanten Informationen gar nicht auf der Seite der Staatlichen Museen, sondern auf ganz anderen Portalen gefunden hat. Da er während seinem kurzen Aufenthalt in der Stadt möglichst alle Highlights und Sehenswürdigkeiten schaffen möchte, plant er im Vorfeld schon die Fahrten mit dem ÖPNV und schaut, auf einer Strecke möglichst viele Dinge abzuhaken. So hatte er auf dem Weg in die Gemäldegalerie auch das Denkmal der ermordeten Juden Europas und den Potsdamer Platz besichtigt, ist aber von der, dann doch etwas weiten Laufstrecke von dort hin zum Kulturforum etwas erschöpft. Auf dem Weg hat er sich oft gefragt, ob er hier überhaupt richtig sein kann. Den Weg über die Baustelle findet er mit Mühe. Den Eingangsbereich des Kulturforums findet er irgendwie nichtssagend: Hier soll die berühmte Gemäldegalerie sein? Er hat das Gefühl, hier würde es sich eher um einen Geheimtipp als um einen besonders wichtigen Ort für die Stadt handeln. Am Einlass zur Ausstellung nimmt er sich einen Lageplan und betrachtet ihn noch vor dem Loslaufen genauer: All diese verschiedenen Ziffern und Zahlen – wo ist der Rundgang? Schnell bekommt er den Wunsch, eine Highlight-Führung zu machen, weil er unter den vielen Werken nur schwer die berühmten Meisterwerke erkennt und sich wegen der Raumabfolge nicht sicher ist, wirklich alles gesehen zu haben. Auch empfindet Robert die gefundenen Gemälde berühmter Meister für seinen Geschmack zu unvermittelt: Nähere Information für die oder den Künstler*in, Bildbeschreibung und –interpretation, versteckte Geheimnisse. Auf das Lesen langatmiger Texte hat er dabei nur wenig Lust und fragt deswegen die Aufsichtskräfte nach den Bildnissen und auch nach der spontanen Verfügbarkeit von Führungen. Diese empfehlen ihm netterweise den Besuch der Sonderpräsentation „Im neuen Licht“, welche sich zentral in der Wandelhalle befindet, und die Stippvisite im Kinderreich der Ausstellung. Beides findet er ansprechend: Die ausgestellten Stücke sind wohl dosiert, ausreichend kontextualisiert und erzählen Geschichten und Geheimnisse. So bekommt er das Gefühl, auch wirklich etwas mitnehmen zu können, was ihm im Gedächtnis bleibt. Beim Hinausgehen geht er noch vor der Abfahrt des Busses, welchen ihn weiter Richtung City West bringt, in den Museumsshop um sich ein paar hochwertige Erinnerungsstücke zu kaufen, die nicht nach Souvenirgeschäft aussehen. Gerne bringt er auch Freund*innen ein paar Kleinigkeiten mit, um so von seinen Erlebnissen berichten zu können.

Rechargers

Die Regisseurin Martina, 44 Jahre, lebt und arbeitet derzeit in Florenz, ist aber aufgrund ihres Berufes viel innerhalb Europas unterwegs. Museen sind für sie Abwechslung vom Alltag, Ort der Inspiration, der neue Blickwinkel eröffnet. Da sie häufiger in Berlin ist, hat sie die Gemäldegalerie nach der Empfehlung einer Freundin wegen ihrer luftigen Architektur und der ruhigen Atmosphäre besonders zu schätzen gelernt. Heute reist sie mit der S-Bahn vom Potsdamer Platz an und muss sich an der riesigen Kreuzung immer mal wieder mit Google Maps orientieren um den richtigen Weg zu finden. Sie ist froh und glücklich, im Foyer des Kulturforums angekommen zu sein, würde hier allerdings lieber etwas besser in die Thematik eingeführt werden: Welche Ausstellungen kann ich hier aktuell sehen? Was ist das hier eigentlich für ein Ort? Welche Schwerpunkte, Konzepte gibt es und werden gerade Führungen angeboten? Gerne lässt sich Martina durch die Ausstellungsgestaltung leiten, orientiert sich mit Hilfe von Künstler*innen, die sie kennt, in welcher Epoche bzw. Region sie sich gerade befindet. So richtig selbsterklärend ist der Verlauf mit der großen Zahl an Ausstellungsstücken für sie jedoch nicht. Um sich nicht so erschlagen zu fühlen, macht sie häufige Pausen auf den Sitzbänken und setzt sich mit einzelnen Gemälden auseinander. Hierbei eignen sich vor allem die Präsentationen in der Wandelhalle und im Kinderreich, da sie sich insbesondere Informationen zu kulturellen Einflüssen, Epochen und Hintergrundgeschichten wünscht. Dabei ist die Sonderpräsentation „Im neuen Licht“ für sie besonders atmosphärisch und lädt sie zum Zwiegespräch mit den Gemälden und ganz unterschiedlichen Thematiken ein. Für einen runden Museumsbesuch geht sie auch grundsätzlich gern ins Museumscafé. Dies hier am Ort erinnert sie aber an eine Kantine, die wenig einladend ist und auch keine Kartenzahlung akzeptiert. Sie entscheidet sich deswegen, bereits jetzt zu gehen und irgendwo an der frischen Luft ein wenig den lebendigen Trubel der Stadt zu beobachten. Auf ihrem Tablet googled sie dabei nach einzelnen Lieblingsstücken ihres Ausstellungsbesuches und recherchiert, welche Hintergrundinformationen die Online-Sammlungen dazu anbieten. Ihr fällt auf, wie vielfältig die Dauerausstellung ist und findet deswegen, die Gemäldegalerie sollte eigentlich viel mehr auf sich aufmerksam machen.

Praxisbezogene Anwendung von Personas

Bei Personas soll es sich nicht um ein Artefakt handeln, sondern um eine lebendige Vorstellung der Zielgruppen, mit der sich Teams innerhalb von Konzeptions- und Entwicklungsprozessen im Bereich Service, Ausstellungen und Marketing aktiv auseinandersetzen. Wie bereits beschrieben, ist es hierfür wichtig, die Personas auf die spezifischen Ziele auszurichten und sie dafür gemeinsam mit den Stakeholdern zu entwickeln. Nur, wenn relevante Parameter und Kategorien auf den Personas zu finden sind, können sie auch nutzbar als Fixpunkt für eine zielgruppenspezifische Entwicklung sein. Die graphische Aufarbeitung von Sedcards oder Postern ist nach der Fertigstellung der Inhalte nur ein Teil der Einführung. Vielmehr kann die aktive Auseinandersetzung durch die Erstellung von Moodboards oder Rollenspielen aus Sicht der jeweiligen Persona angeregt werden (Winter 2015). Ein Team-Mitglied, welches sich zum Persona-Paten erklärt, ist dafür verantwortlich, die Personas regelmäßig zu aktualisieren, deren Interessen in Meetings zu vertreten und ein Hineinversetzen zu ermöglichen. 

Die Personas im Teilprojekt Visitor Journeys neu gedacht von museum4punkt0 dienen dazu, den fünf Besuchsmotivationstypen – Explorer, Experience Seekers, Professional/Hobbyists, Facilitators und Rechargers – vorstellbare Eigenschaften, Bedürfnisse und Erwartungen zuzuordnen und diese an ihrer archetypischen Visitor Journey Experience deutlich zu machen. Es zeigte sich, dass das Besuchserlebnis nicht erst im physischen Raum beginnt und dort oftmals auch nicht endet, sondern es noch weitere Berührungspunkte zwischen Besucher*innen und Institution gibt, die mitgestaltet werden können und müssen. Hierbei konnten nach der Fertigstellung der Personas Lücken im Angebot identifiziert und in Form einer Handlungsempfehlung vermittelt werden. 

Zur Entwicklung konkreter Services und Vermittlungsangebote dienen die Personas im ersten Schritt dazu, sich aus den Besucher*innentypen die zu fokussierenden Zielgruppen herauszusuchen und in einem zweiten Schritt noch einmal auf konkrete Problemstellungen hin zu befragen und zuzuspitzen. Beispiele aus dem Projektverlauf sind hierbei etwa die Frage nach Indoor- und Outdoor-Navigation am und im Kulturforum, die Überarbeitung der Online-Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin oder die Neugestaltung der Beschriftungen im Bereich der Dauerausstellung der Gemäldegalerie. Je konkreter Kategorien und Parameter für die zu bearbeitenden Handlungsfelder ausgewählt werden, desto nutzbarer ist auch die Persona. Die anschließende Erstellung von Nutzungsszenarien kann nicht allein bei der Erfassung des Ist-Zustands helfen, sondern ist auch für den Entwurf eines zukünftigen, verbesserten Szenarios geeignet. An welchem Punkt der Visitor Journey setzt das neue Format an? Auf welche Bedürfnisse reagiert es und auf welche Weise macht es die Erfahrung der Besuchenden besser? 

Nicht zuletzt können Personas auch als Basis für die Rekrutierung bei Nutzer*innentests genutzt werden. Die Ansprache geeigneter Proband*innen zum Testen erster Ideen, Prototypen oder beinah fertig entwickelten Umsetzungen – also an verschiedenen Punkten des Entwicklungsprozesses – erfolgt dann mit Hilfe an der Persona entwickelter Screener-Fragen (Scharf et al. 2021).

Download als PDF

 

Die Studie wird als PDF bereitgestellt und unterteilt sich in die Kapitel:

1 Theoretische Grundlage und Methode

2 Durchführung der quantitativen Erhebung

3 Durchführung der qualitativen Erhebung

4 Ergebnisse der quantitativen Erhebung

5 Ansätze zur Personae-Entwicklung

6 Ergebnisse der qualitativen Untersuchung

Nachnutzbare Elemente

Leitfaden für Tiefeninterview (PDF)

Qualitative Auswertung Mental Model: Explorers (PDF)

Qualitative Auswertung Mental Model: Facilitators (PDF)

Qualitative Auswertung Mental Model: Professionals/ Hobbyists (PDF)

Qualitative Auswertung Mental Model: Rechargers (PDF)

Fragebogen zur Verknüpfung von quantitativer und qualitativer Studie (PDF)

Persona für die Gemäldegalerie: Experience Seekers (PDF)

Persona für die Gemäldegalerie: Explorers (PDF)

Persona für die Gemäldegalerie: Facilitators (PDF)

Persona für die Gemäldegalerie: Professionals/ Hobbyists (PDF)

Template zur Erstellung von Value Proposition Canvases im Museum (PDF)

Plausibilitätscheck der qualitativen Erhebung (PDF)

Quellenverzeichnis

Brilliant Idea Studio. “Customer Experience Cycle.” Letzter Abruf im August 2020. https://brilliantideastudio.com/art-museums/museum-customer-experience/.

Burnette, Allegra. “MCNPro: User journey mapping.” Letzter Abruf im August 2020. https://www.youtube.com/watch?v=l1NnK2CzHoI.

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Dam, Rikke Friis und Teo Yu Siang (Interaction Design Foundation). “Personas – A simple introduction”. Letzter Abruf im August 2020. https://www.interaction-design.org/literature/article/personas-why-and-how-you-should-use-them.

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Weitere Ergebnisse im Teilprojekt

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Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Im Fokus der Untersuchung zu den Möglichkeiten dieser Anwendung stehen in erster Linie Service-Anfragen.
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Studien und Handreichungen

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