impulse-Workshop in Görlitz: Unser Team lernt, virtuelle Welten zu erschaffen
Ist die Entwicklung einer VR-Anwendung komplex? Durchaus. Das hat uns jedoch nicht daran gehindert, es selbst zu probieren. Von unseren Erfahrungen berichten wir hier.
Unsere Virtual-Reality-Animation „Abenteuer Boden“ begeisterte bereits zahlreiche Museumsbesucher. Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit den Entwicklern der Firma .hapto an unserer nächsten Themenwelt – der Laubstreu. Um zukünftig unsere Teilprojektentwicklung im Bereich VR/AR zu optimieren, unsere Arbeitsprozesse zu beschleunigen und technische Abläufe sowie Probleme besser zu verstehen, haben wir im Juni einen zweitägigen Praxisworkshop mit Lutz Westermann von .hapto durchgeführt. Ziel des Workshops war außerdem, Wissen anzueignen, um VR-Anwendungen an unserem Haus nachhaltig weiterführen und betreuen zu können – auch nach Projektende. Daher haben wir neben den Teilprojektmitgliedern zusätzlich unsere IT- und Grafik-Abteilung eingebunden. Zudem luden wir Vertreter der Hochschule Zittau/Görlitz ein.
Die Game Engine Unity3D
Die 14 Teilnehmer erhielten am ersten Tag zunächst eine Einführung in die Benutzeroberfläche der frei verfügbaren Game Engine Unity3D, einer Entwicklungsumgebung für interaktive 3D-Grafik-Anwendungen und Spiele für PCs, Mobilgeräte und Spielkonsolen. Wir erfuhren, was es im Asset Store zu finden gibt und was das dort herunterzuladende SteamVR-Plugin bewirkt. Erst dieses Plugin ermöglicht die Gestaltung virtueller Interaktionssysteme in Unity3D. In den nächsten Stunden sollten wir in kleinen Gruppen selbst eine funktionierende VR-Anwendung kreieren – was wir uns an diesem Punkt aufgrund der Komplexität des Programms und der Arbeitsschritte aber noch nicht ganz vorstellen konnten.
Woher 3D-Modelle nehmen?
Angesichts der begrenzten Workshop-Zeit arbeiteten wir mit bereits erstellten frei verfügbaren 3D-Modellen. Lutz Westermann zeigte uns, wo sie zu finden sind und wie man sie in Unity3D importiert. Angebote finden sich unter anderen innerhalb der Windows 10-Applikation Paint3D oder auf der teilkommerziellen Plattform sketchfab.com.
Außerdem erhielten wir Einblicke in die Photogrammetrie – ein Verfahren, bei dem aus einer Reihe von Fotografien mithilfe spezieller Software wie RealityCapture, Cinema4D oder 3DF Zephyr Free dreidimensionale Modelle entstehen. Als Testobjekt suchten wir uns ein Igelpräparat aus und erstellten davon mit unserer DSLR-Kamera in einer 360-Grad-Bewegung und in gleichmäßigen Abständen 15 Bilder. Je nach genutzter Software, Hardware und Fotoanzahl kann der Prozess der 3D-Modellerstellung sehr rechenintensiv sein. Auf unser fertiges virtuelles Igelmodell mussten wir mit RealityCapture einige Minuten und mit 3DF Zephyr Free etwa eine halbe Stunde warten.
Workshop-Aufgabe: Ein „Virtuelles Diorama“ selbst gestalten
Mit dem hinzugewonnenen Basiswissen konnte es an die Planung und Umsetzung eines prototypischen „virtuellen Dioramas“ gehen. In den Gruppen ergaben sich dabei ganz individuelle Fragestellungen. Zudem entstanden sehr unterschiedliche virtuelle Szenerien – von angriffslustigen Spinnen über Einhörner bis hin zu einer Inselwelt mit schlittschuhlaufendem Pinguin und einer Delfinfamilie, die man von einem Boot aus ganz nah erleben konnte. Hierbei galt es weniger, so wirklichkeitsnah wie möglich zu gestalten. Vielmehr ging es darum, aufkommende Umsetzungsprobleme lösen zu lernen: Wie komme ich innerhalb der virtuellen Welt von einem Ort zum anderen? Wie erstelle ich eine Teleportationsfläche und woran kann es liegen, wenn diese nicht funktioniert? Welche Programmhierarchien muss ich beachten? Welche Interaktionen sind möglich? Wie kann ich ein 3D-Modell greifen und was ist überhaupt ein Mesh-Renderer oder Box-Collider?
Erfolgskontrolle
Der kontinuierliche Lernerfolg war deutlich spürbar. Was anfänglich wie ein unergründlich kompliziertes Wirrwarr an Fenstern, Funktionen und Arbeitsschritten erschien, wurde mit der Zeit immer verständlicher und vertrauter. Da wir zwei VR-Stationen im Workshop zur Verfügung hatten, konnten mit Brille und Controller unsere neu geschaffenen Anwendungen jederzeit getestet werden. Fehler wurden spätestens dann sichtbar. So haben wir unsere VR-Anwendungen am zweiten Workshop-Tag sukzessive angepasst.
Fazit
Zweierlei prägnante Erfolgserlebnisse können wir bei dem zweitägigen VR-Praxisworkshop verzeichnen. Zum einen haben unsere kleinen Arbeitsgruppen es geschafft, mit Unity3D VR-Anwendungen zu entwickeln, die funktionierten und in die man tatsächlich „eintauchen“ konnte. Zum anderen haben wir ein Gespür für die technischen Abläufe, die Eigenheiten des digitalen Formats und die Vielfalt an Gestaltungs- und Funktionsmöglichkeiten bekommen. Das sind gute Voraussetzungen für einen noch fruchtbareren Austausch mit den Entwicklern – und für ein tieferes Verständnis dafür, was nötig ist, um digitale Formate an unsere eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Für alle, die sich ebenfalls über den Einsatz von VR zur musealen Vermittlung informieren möchten, haben wir einen Teil der Veranstaltung aufgezeichnet: In seinem Vortrag gibt Lutz Westermann nicht nur einen Überblick über aktuelle Hardware und wichtige Gesichtspunkte bei der Konzeption von VR-Anwendungen, sondern spricht auch darüber, wie die vielfältigen Bewohner der Bodenporen in unserem ersten VR-Prototypen digital zum Leben erweckt wurden.
Beitrag von: Anke U. Neumeister