22. April 2022
Vermittlungskonzepte

Interaktive Navigation und Gestensteuerung im Museum

Karsten Goletz und Anke Neumeister des musem4punkt0-Teilprojektes „(Digital) MEER erleben“ beantworten im Dialog Fragen über Ihre Arbeit im Verbund.

Hinter den Kulissen der Teilprojekte: (Digital) MEER erleben
Hinter den Kulissen der Teilprojekte: (Digital) MEER erleben, Grafik: Stiftung Preußischer Kulturbesitz / museum4punkt0 / Julia Rhein, CC BY 4.0

Das Teilprojekt heißt (Digital) MEER erleben – berichtet uns kurz zur Einführung, was Ihr vorhabt!

Anke: „(Digital) MEER erleben“ bedeutet für uns die Verbesserung des Besuchserlebnisses – wenn sinnvoll, mit digitalen Mitteln, deshalb die Klammer. Digital ist eben kein Ersatz. Vielmehr geht es darum, eine Balance von digitalen und analogen Vermittlungsangeboten zu finden.

Für unser Teilprojekt haben wir in unserer Seekarte zwei Kurse eingezeichnet. Der eine ist eher Küstenschifffahrt, nimmt konkrete Herausforderungen unseres Hauses auf und zielt auf interaktive Navigation und Information an unserem besuchsstärksten Standort, dem OZEANEUM auf der Stralsunder Hafeninsel. Hierzu entsteht eine interaktive App.

Karsten: Den zweiten Kurs setzen wir auf die weitgehend unerforschten Anwendungsbereiche von Gestensteuerung im Museum. Wir sehen hier ein großes Potenzial und möchten Möglichkeiten zeigen. Dabei helfen uns starke Partner aus der industrienahen Forschung.

Wie setzt sich Euer Team zusammen, welche Abteilungen des Museums bindet Ihr wie in den Konzeptions- und Entwicklungsprozess ein?

Anke: Das ist schnell gesagt. Wir sind nämlich ein ganz kleines Teilprojektteam. Klein, doch nicht allein! Angesiedelt in der Stabsstelle Kommunikation und Marketing am Deutschen Meeresmuseum bewegen wir uns in einem Bereich, der mit allen Abteilungen des Hauses verknüpft ist. So gibt es kurze Wege zu den Abteilungen Service, Museumspädagogik und Ausstellungen, die aktuell in einer AG zur inhaltlichen Gestaltung der App mit uns zusammenarbeiten.

Warum habt ihr das Format eines interaktiven Navigations- und Informationstools gewählt und warum widmet ihr euch außerdem noch Tests zu berührungslosen Mensch-Maschine-Systemen? Welche Methoden möchtet Ihr nutzen, in welche Richtung gehen Eure Überlegungen?

Karsten: Im OZEANEUM sind viele Wege möglich. Auch solche, auf denen ich als Gast Teile der Ausstellung verpassen könnte. Wir möchten die Orientierung erleichtern und gleichzeitig Antworten auf Fragen bieten, die Gäste immer wieder anhand ihrer Beobachtungen stellen.

Anke: Wir haben uns dabei auch die Frage gestellt, ob es dafür eine kostenintensive App braucht.

Karsten: Ich denke schon, dass das digitale Angebot einen MEERwert ergibt. Durch die Variabilität der Inhalte können wir die App an neue Ausstellungssituationen anpassen und stetig weiterentwickeln. Ich sehe die Entwicklung vor allem als gutes Werkzeug für Vermittlung und Service.

Anke: Zugleich haben wir eine langfristige Perspektive: Die App wäre wunderbar dafür geeignet, unsere verschiedenen Standorte miteinander zu verbinden. Wir gehen davon aus, dass sich der digitalen Transformation langfristig nur mit einer guten Digitalstrategie begegnen lässt, in der auch die hausinterne (Nach-)Nutzung von Projektergebnissen verankert wird. Auch daran arbeiten wir.

Karsten: Neben langfristigen Überlegungen gibt es auch Vorhaben, die relativ rasch zu einem Ergebnis führen. Mit berührungslosen Steuerungs- und Dialogsystemen beschäftigen wir uns, weil wir, bei aller Vorsicht mit solchen Aussagen, hier die Zukunft der Interaktion im Ausstellungsbereich sehen.

Die Vorteile gegenüber Touchdisplays sind sehr deutlich. Berührungslose Steuerungssysteme sind wartungsärmer und kompatibel mit jedem Hygienekonzept. Sie bieten große Freiheit in der Ausstellungsgestaltung. Für KI-basierte Dialogsysteme sehen wir ein Potenzial in der Entlastung von Servicekräften, gerade in besuchsstarken Häusern.

Anke: Ob solche Systeme grundsätzlich auch für die Vermittlung empfohlen werden können, finden wir mit unseren Forschungspartnern bald heraus. Wie vieles andere. Wir begleiten die Technologietests mit klassischen Fragebögen und werten teilweise auch datenschutzkonform gewonnene Beobachtungsdaten aus. Schlussendlich hoffen wir auf klare Erkenntnisse, die wir über den Verbund mit Kolleg*innen in anderen Museen teilen möchten.

Könnt Ihr schon konkret etwas zu den Inhalten sagen – wie sollen die Besucher*innen navigiert werden, was können sie mit der App über die Objekte erfahren?

Karsten: Ja gern. Also zurück zur App. Eine Richtungsentscheidung – im wahrsten Sinne des Wortes – war der jeweilige Anteil von Navigation und Information. Hier waren wir uns schon im Kick-off-Workshop darüber einig, dass der Schwerpunkt auf der interaktiven Informationsvermittlung über spielerische Elemente wie etwa Quizfragen liegen sollte.

Anke: Und dafür gab es gute Gründe. Wir wollen nicht Google Maps für das Museum nachbauen und könnten uns das auch nicht leisten. Die Navigation gewährleisten wir technisch sehr simpel über 360°-Aufnahmen mit Orientierungspfeilen. Wir verteilen Beacons an ausgewählten Punkten im Ausstellungsbereich und schaffen so Stationen bzw. sogenannte Spots, an denen sich unsere Gäste einchecken können, Hilfestellung bei der Orientierung erhalten und erfahren, was sie in diesem Bereich Spannendes erwartet.

Die App bietet für uns die Möglichkeit, Informationen zu liefern, die man sich bislang weder durch Hinweistafeln noch durch den bereits etablierten Audioguide erschließen kann. Etwa zur natürlichen Mauser bei den Pinguinen, die gelegentlich als mangelnde Versorgung gedeutet wird, oder zur Pflege von Meerestieren im Aquarium. Sehr beruhigend ist für unsere Gäste sicher auch, dass die Fische, die im Becken „Flussmündung“ im Ostsee-Rundgang schwimmen, kein deformiertes Maul haben, sondern einfach bei Erreichen der Geschlechtsreife einen sogenannten Laichhaken am Maul ausbilden.

Und noch einmal zum erwähnten Audioguide: Als Web-App neu aufgelegt ist dieser ein in Ziel und Inhalt völlig anderes digitales Vermittlungsinstrument. Aus der Perspektive unserer Gäste wären es zukünftig jedoch zwei Informationssysteme. Muss ich mich dazwischen entscheiden? Was bringt mir das eine, was das andere? Damit diese Fragen nicht gestellt werden müssen, streben wir die Verschmelzung beider Anwendungen an.

Unsere Leser*innen interessiert natürlich besonders, ob und warum Ihr Ideen verworfen habt, gab es zum Beispiel unerwartete Entwicklungen? Berichtet uns von Eurem Entscheidungsprozess!

Karsten: Wesentliche Entscheidungen wurden schon im Vergabeverfahren getroffen. Man kann es nur empfehlen, sich dafür Zeit zu nehmen.

Anke: Wir hatten lediglich Anforderungen formuliert, als wir Firmen zur Angebotsabgabe aufforderten. Daher bekamen wir vielfältige Lösungsmöglichkeiten auf den Entscheider*innentisch. Schlussendlich haben wir uns doch für eine App entschieden, die langfristig weiterentwickelt werden kann und deren Entwicklung innerhalb der Projektlaufzeit verlässlich möglich ist. Und das war tatsächlich eine schwere Entscheidung, weil es zumindest einen weiteren Vorschlag gab, der von der Innovationshöhe her sehr überzeugend war. Wir hätten die Gelegenheit gehabt, AR-Technologie einzusetzen und so visuell beeindruckende Momente zu schaffen. Das hat uns eine Weile fasziniert, aber wir sind dann doch einen anderen Weg gegangen.

Karsten: Wir brauchen ein System, das auch im Backend einfach bedienbar ist und bis zum Sommer funktioniert.

Woran arbeitet Ihr selbst gerade konkret und welche sind Eure nächsten Schritte?

Anke: Nachdem die App-Struktur im Wesentlichen feststeht, arbeiten wir an den Inhalten. Im März lief der erste Test des KI-basierten Dialogsystems.

Und zum Abschluss noch: Was ratet Ihr Kolleg*innen aus dem Kulturbereich, die ein ähnliches Projekt angehen möchten?

Anke: Projekte bringen ein Haus voran! Man sollte nur von Anfang an die dauerhafte Integration in das Vermittlungsangebot sicherstellen. Dafür ist es wichtig, dass sich das Projekt in die Digitalstrategie des Hauses fügt. Über finanzielle Zusagen der Leitung lassen sich der langfristige Betrieb und die Weiterentwicklung am besten ermöglichen. Zuwendungsgebende Institutionen könnten nachhaltige Entwicklungen unterstützen und damit auch Know-how sichern. Zum Beispiel mit der Festlegung längerer Bewilligungszeiträume und der Verbindlichkeit einer Evaluations- und Nachnutzungsphase.

Karsten: Was man aber darüber hinaus selbst gut beeinflussen kann, ist die Qualität der Angebote bei der Beauftragung von Dienstleister*innen. Nehmt Euch Zeit, den eigenen Bedarf zu ermitteln, fragt Eure Kolleg*innen und investiert dann viel Mühe in ein durchdachtes Leistungsverzeichnis.

Anke: Und habt den Mut zur Zusammenarbeit! Kooperationen sind immer nützlich, selbst wenn ihre Pflege auch Arbeit bedeutet. Schaut über den Tellerrand des Kulturbetriebs! Die besten Partner*innen sind oft da, wo wir es nicht erwarten. Der Verbund museum4punkt0 gibt uns die Möglichkeit, uns kollegial und vertrauensvoll auszutauschen, Entscheidungen zu diskutieren und Erfahrungen zu teilen.

Karsten: Das konkrete Vermittlungsangebot muss ins jeweilige Haus passen. Die Erkenntnisse, die wir bei der Entwicklung gewinnen, helfen allen. Und wir profitieren vom Wissen der Partner.

Fragen von Dr. Silke Krohn und Mira Hoffmann, Antworten von Karsten Goletz und Anke Neumeister

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Teilprojekt: (Digital) MEER erleben
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(Digital) MEER erleben

Das museum4punkt0-Team der Stiftung Deutsches Meeresmuseum entwickelt ein digitales System, das Besucher*innen-Navigation und bedarfsgerechte Wissensvermittlung mithilfe von Augmented Reality-Technologien verbindet.

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