Mehrfach nachhaltig: Virtuelles Storytelling in Gießen
Mit Open Source soll ein adaptierbarer Prototyp entstehen. Amalka Hermann und Linn Mertgen im Austausch über die Nachhaltigkeit ihrer Projektarbeit
Seit Frühjahr 2022 arbeiten neun neue Teams im Verbund museum4punkt0 für die digitale Vermittlung. Wir haben sie zu ihren Projekten befragt, die innerhalb einer kurzen Laufzeit Prototypen entwickeln und dabei gezielt auf eine nachhaltige Nutzbarkeit angelegt sind.
In aller Kürze: Was ist Ziel eures Teilprojekts?
Linn Mertgen: Wir, das Team vom Oberhessischen Museum Gießen, wollen durch virtuelles Storytelling mehr emotionale Erlebnisse für unsere Besucher*innen im Museum schaffen. Dabei ist es uns wichtig, dass durch zeitgemäße und digitale Erzählformate Stadtgeschichte und historisches Wissen mit dem Alltag sowie persönlichen Geschichten und Erlebnissen unserer Besucher*innen verknüpft wird. So stellen wir sicher, dass der Museumsbesuch Spaß macht und für Groß und Klein zu einer nachhaltigen Erfahrung wird.
Die Projektlaufzeit ist kurz für die Entwicklung eines digitalen Vermittlungsangebots. Was hilft euch bei der Konzeption? Wovon habt ihr profitiert?
Amalka Hermann: Das bereits bestehende Netzwerk von museum4punkt0 ist eine große Hilfe bei der Konzeption und bei der Erarbeitung des Teilprojekts. Wir haben uns sehr darüber gefreut, wie herzlich wir in dem museum4punkt0 Netzwerk aufgenommen wurden. Die Kolleg*innen sind direkt sehr interessiert auf uns zugekommen und haben uns Tipps gegeben, welche Vorgehensweisen uns helfen könnten und welche Schritte uns eventuell in eine Sackgasse führen. Somit profitieren wir von den Erfahrungen und bereits realisierten Projekten der Kolleg*innen. Außerdem orientieren wir uns an bereits gut gelungenen Beispielen und treten in den aktiven Austausch mit anderen Projektteams. Die kontinuierliche Begleitung und Anleitung hilft uns, unser Teilprojekt im vorgegebenen Zeitrahmen zu realisieren.
Wie begegnet ihr dem dynamischen Wandel von technischen Neuerungen und Nutzungsinteressen?
Amalka Hermann: Wir sind in regem Austausch mit unseren Besucher*innen und der Stadtgesellschaft, nehmen Anregungen auf, schauen nach rechts und links und versuchen aktiv auf ihre Wünsche zu reagieren. Zudem arbeiten wir mit der Persona-Methode, um User-Stories zu erstellen, um so passende Vermittlungsformate im Digitalen und Analogen zu finden. Gerade bei der Konzeption einer Dauerausstellung ist es wichtig, nicht einmal für zehn Jahre zu konzipieren. Zeitgemäße Museumsarbeit ist flexibel und modular. Uns ist bewusst, dass sich sowohl technische Entwicklungen als auch das Interesse der Besucher*innen in einem ständigen Wandel befinden.
Inwiefern ist euer Digitalprojekt nachhaltig? Inwiefern berücksichtigt ihr die langfristige Bereitstellung und Nachnutzung im Haus? Was können andere Häuser nachnutzen?
Linn Mertgen: Unser Teilprojekt „imp – immersiv partizipieren“ ist aus mehreren Perspektiven nachhaltig: Die Art der Wissensvermittlung ist nachhaltig, weil sie emotional und damit langfristig ist. Ist eine Spur für unseren Audiowalk einmal produziert, ist das eine gute Grundlage für weitere Audiowalks innerhalb unseres Museums. Ebenso sind wir bei dieser Art des Storytellings in der Lage, auf wechselnde und unterschiedliche Interessen einzugehen und können mit abschätzbarem Aufwand Änderungen und Anpassungen vornehmen. Es ist nichts in Stein gemeißelt. Und ganz wichtig: Aufgrund der Open-Source-Programmierung schaffen wir einen technischen Prototyp, den auch andere Institutionen adaptieren und nutzen können.
Wie teilt ihr euer Wissen? Wie können andere Kulturinstitutionen von euren Kompetenzen profitieren?
Amalka Hermann: Zum einen stellen wir unsere Erkenntnisse der Öffentlichkeit vor und zum anderen ist das Netzwerk von museum4punkt0 mit vielen Kulturinstitutionen eine produktive Plattform. So wie wir von den Erfahrungen der Kolleg*innen profitieren, so stellen auch wir unsere Erkenntnisse ins Netzwerk ein. Wir erleben diese Community als eine sehr konstruktive, in der ein reger, fairer und offener Austausch stattfindet. Die Impulse für eine Konzeption und Umsetzung digitaler Vermittlungsangebote, die aus diesem Netzwerk kommen, sind für uns sehr wertvoll. Zum Schluss profitieren vor allem die Museumsbesucher*innen davon, indem wir für sie ein Angebot schaffen, was ihren Bedürfnissen entspricht.
Habt ihr zum Schluss einen Tipp? Wie plane ich ein nachhaltiges Digitalprojekt?
Linn Mertgen: Wir setzen auf kollegiale Zusammenarbeit: Für uns ist es wichtig, auch innerhalb des Teilprojekts mit kompetenten Partner*innen zusammen zu arbeiten, sie beraten uns, geben viel Input: Wir sprechen mit Personen, die sich z.B. mit Dramaturgie, Programmieren und UX-Design auskennen und stellen unser Projekt Raumstrateg*innen vor. Diese unterschiedlichen, manchmal kontroversen Perspektiven helfen uns, ein bestmögliches Ergebnis für unsere Besucher*innen zu erzielen. Interdisziplinär arbeiten wir mit einer digitalen Plattform, auf der wir gemeinsam Ideen und Konzepte diskutieren, in Workshops Ergebnisse erzielen und den Projektprozess planen und natürlich auch controllen. Wir haben den Eindruck, dass alle Beteiligten mit viel Spaß arbeiten, viel vom anderen Gewerk lernen und durch das „out-of-the-box-denken“ zu ganz neuen Ergebnissen kommen, die jeder für sich nicht gefunden hätte.
Fragen von Dr. Maite Kallweit, Antworten von Amalka Hermann und Linn Mertgen